Freiburger historische Bestände - digital

104 Psychische Studien. XLI. Jahrg. 2. Heft. (Februar 1914.)

III. Abteilung.

Tagesneuigkeiten, Notizen u. dergL
Mona Lisa und kein Ende!*)

Unter dieser aktuellen Spitzmarke erhielten wir, dat.
Wien, 30. XII. 13, die nachfolgende Zuschrift von seiten
eines praktischen Arztes:

„S. g. H. EecU Belieben Sie Folgendes zur Kenntnis
zu nehmen, es ist ebenso interessant, als wichtig.

Ich rieb mir die Augen. Ein heller Morgen, wie er
nachgerade in den letztvergangenen Tagen des Dezembers
selten ist, hatte ein paar Lichtbündel in den Spiegel
meinem Bette gegenüber geworfen, und der hatte sie
wiederum völlig gedankenlos in mein Auge reflektiert.
Dieser nicht ganz ungewöhnliche Vorgang also hatte mich
zum Erwachen gebracht, äußerlich wenigstens, denn meine
höheren Zentren arbeiteten noch so wenig, daß mir die
Nähe meiner Frau, die sich eben jetzt über mich gebeugt
hatte, nicht bewußt ward.

fclrst ihr kräftiges: „Na Gustl, was hast denn du heut'
Nacht wieder 'trieben und phantasiert", ließ mir Klarheit
werdei, wo ich mich eigentlich befand. „Aha/ dachte ich
also sogleich bei mir, „daheim bist d' halt, wie übrigens
meist, und hast was geplaudert. Fragt sich bloß was.
Aber wenn ieh's auch vorderhand nicht weiß, soll's mir
doch nicht bange werden, sie wird doch nicht so garstig
sein, sich's nicht herausfragen zu lassen."

Und als ich wie zur Orientierung, wie es wohl am
besten unter den obwaltenden Umständen anzupacken sei,
mit kurzem, prüfendem Blick Gesicht und Haltung meiner
Frau überflogen hatte, wußte ich bereits, daß bloß Geplänkel
oder höchstens kleinere Gefechte bevorständen, keinesfalls
aber eine Hauptschlacht geschlagen würde. Meine Verfehlungen
in Wort und Tat mußten also diskutabel sein,
oder — war es ein sicheres Siegergefühl im Herzen
meiner Frau, was trotz allem ihren Humor nicht ver-

*j Die aus dem Louvre gestohlene Mona Lisa ist am Sonntag,
4. Jan. er. wieder auf ihren alten Platz im Salon Carre* nac'.i Paris
zurückgekehrt. — Red.