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158 Psychische Studien. XL1. Jahrgang. 8. Heft. (März 1914.)
Geistlichen selbst erweckt worden sein. Für die Imagi-
närität der Automobilfahrt spricht auch der Umstand, daß
weder der den Geistlichen empfangende Diener, noch
andere Personen von einem solchen Fahrzeug und seinen
Insassen etwas gesehen zu haben scheinen. Das Verschwinden
des Auto und der Dame fällt offenbar mit dem
Erwachen des Geistlichen aus seinem somnambulen Traumzustande
zusammen und findet auch darin seine Erklärung,
übrigens bestünde auch die Möglichkeit, daß der Chauffeur
eines Autotaxi ebenfalls das Opfer eines magischen Einflusses
geworden wäre, und mit dem Erwachen aus dem
somnambulen Zustand die Erinnerung an die so ausgeführte
Fahrt verloren hätte.
In der Yolkssage und Gespensterehronik sind Erscheinungen
von Fahrzeugen durchaus keine Seltenheit. Selbstverständlich
spielt darin das damals am meisten benützte
Vehikel, die Postkutsche, die Hauptrolle. „Die Ge-
spemiterkutsche,* sagt Daumer, „ist eine in den Gesichten
und Erzählungen des Volkes wiederholt und in weiter
Ausdehnung vorkommende Vorstellung, deren Anlaß. Entstehung
und Bedeutung noch sehr im Dunkel liegt.
Eine Sage dieser Art knüpft sich an die verfallene
Burg voq Ardeck in Kassau. Von Limburg an der Lahn
fahre nachts, besonders um die Weihnachtszeit, landeinwärts
eine Landkutsche; und wenn ein verspäteter Wanderer
etwa Aufnahme verlange, so befinde er sich in einer Gesellschaft
von sonderbaren Passagieren, Mönchen oder
Kapuzinern, die ihn nach Burg Ardeck führen, wo er durch
so sonderbare Erscheinungen verwirrt, an den Gliedern wie
gelähmt und in solchem Zustande oft morgens in der
Ruine gefunden werde. — Ein magischer Zug nötigt, wie
es scheint, die nächtlichen Wanderer, dem geisterhaften
Fuhrwerk, auch wenn es vom Wege ablenkt, so wie den
gespenstigen Mönchen in die unheimliche Gesellschaft hinein
zu folgen. Eine der bemerkenswertesten Begebenheiten
dieser Art ist wohl iene, welche laut eines im Ratsarchive
der. Stadt Diez hinfliegenden, vom Bürgermeister und
zwei Gerichtsschöffen durch ihre Unterschriften beglaubigten
Urkunde (Actum Dietz, den 8. Febr. 17Bl) einem gewissen
Anton Seipel aus Diez widerfahren sein soll, der als ein
ruhiger, nüchterner, besonnener, gottesfüchtiger, stiller,
wrohl beleumundeter Mann geschildert wird. Dieser erblickte
auf einem nächtlichen Gange, die er in seiner
furchtlosen Art öfters unternahm, auf der Limburger Höhe
einen Wagen, den er für den Diezer Postwagen hielt. Er
folgte ihm und wäre gern aufgesessen, konnte ihn aber, so
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