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Debatin: Wie groß ist ein Elektron?
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setzt haben. Von Strahlen können wir bei den Kathodenstrahlen
freilieh nur noch in dem Sinne sprechen, wie wir
etwa von einem Wasserstrahl oder noch besser von einem
Sandstrahl reden. Denn sie bestehen nicht wie Licht- und
Wärmestrahlen aus Ätherschwingungen, sondern vielmehr
aus kleinsten, allerkleinsten materiellen Teilchen, Elektronen
genannt, die mit negativer Elektrizität geladen sind und
mit außerordentlicher, z. T. fast mit Lichtgeschwindigkeit
fortgeschleudert werden.
Wie verträgt sich aber, wird der Laie fragen, mit
dieser Vorstellung die Tatsache, daß die Kathodenstrahlen,
also materielle Teilchen, durch feste Körper, selbst durch
Metall hindurchgehen können, ohne diese zu beschädigen
oder selbst Schaden zu erleiden? Das wird offenbar nur
möglich sein, wenn eben diese Partikelchen so winzig klein
sind, daß sich selbst so festgefügte Körper, wie etwa Holz
oder Metall, ihnen gegenüber verhalten wie ein weitmaschiges
Netz. Auf den ersten Blick mag es allerdings
unnatürlich erscheinen, daß Körperteilchen durch Eisen-
und Stahlplatten hindurch sozusagen ein- und ausfliegen.
Aber überlegen wir ans ja: es handelt sich nur um Relativzahlen
. Ein Elefant, um ein recht deutliches Beispiel zu
gebrauchen, bedarf einer Tür von mindestens 3 Meter Höhe
und 3 Meter Breite. Und doch wird er vielleicht durch
diese weite Öffnung weniger leicht und bequem hindurchkommen
, als die meisten Bakterien durch die millionenraal
engeren Maschen des feinsten Haarsiebes. Was hindert
uns nun, uns Gebilde zu denken, die wieder millionenmal
kleiner sind, als die kleinsten Bakterien usf. Direkt die
Masse eines Kathodenstrahlpartikelchens oder Elektrons zu
messen, ist natürlich unmöglich, noch weniger möglich als
beim Atom. Aber durch scharfsinnige Kombination verschiedener
Beobachtungen ist man imstande gewesen, die
Größe eines solchen Elektrons mit der eines Atoms ziffernmäßig
zu vergleichen. Wir müssen uns darnach die Masse
eines Elektrons noch mindestens tausendmal kleiner vorstellen
, als die des Wasserstoffatoms, des kleinsten aller
bekannten Atome. Man beachte wohl: tausendmal kleiner
als diejenige Größe, die, wie der Name „Atom" ja so
scharf zum Ausdruck bringt, nach unseren bisherigen Vorstellungen
unteilbar sein sollte!
Die Entdeckung der Elektronen und die Feststellung
ihrer Größe führten auch zur Beantwortung der Frage:
„Woher nimmt das Radium seine Energie?", ein Problem,
über das sich jahrelang die Physiker der ganzen Welt den
Kopf zerbrochen haben. Auch dieses RätseJ kann heute
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