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Peter: Dr. Calderone: Die Kei'nkarnation.
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Ägypter in den Irrtum der Metempsychose, d. h. in die
Annahme einer Wiederkehr der Seele in einem tierischen
Körper, als Strafe für die begangenen Sünden. Die Druiden
waren überzeugt von der Präexistenz und dem Durchgang
der Seele durch die niederen Formen der Schöpfung.
Der Barde Gliaesin singt: „Ich war die Viper auf
dem See; ich war die gefleckte Schlange auf dem Berge;
ich war Stern; ich war Priester. Es ist viele Zeit vergangen
, seit ich Hirte war; ich habe in hundert Welten
geschlafen und in hundert Kreisen war ich tätig.* Nur
andeutungsweise tritt hier schon die Erkenntnis des großen
Gesetzes der Evolution auf, welches fordert, daß die Seele,
ehe sie die menschlichen Fähigkeiten besitzt, ihre Lehrzeit
in niederen Reichen durchgemacht hat.
Die in die Kabbala eingeweihten Hebräer kannten
die Bewegung der Erde um sich selbst und um die Sonne,
und glaubten an die Präexistenz der Seele vor ihrer irdischen
Geburt, wie an die Notwendigkeit ihrer aufeinanderfolgenden
Rückkehr hienieden zur Entwickelung der in
ihrem Wesen liegenden unzerstörbaren Keime.
Im Evangelium behauptet Jesus selbst, daß Johannes
der Täufer und Elias wiederkommen sollen. Und zu seinen
Jüngern sagt er ferner: „Es ist Elias schon gekommen
und sie haben ihn nicht erkannt/ —
Im Evangelium des heiligen Johannes antwortet Jesus
dem Nikodemus: „Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: es sei
denn, daß jemand von neuem geboren werde « kann er das
Reich Gottes nicht sehen.Ä
Bei den Römern sagt Virgilius, daß nach
tausend Jahren im Elysium oder im Tartarus die Seelen
das Wasser des Lethe trinken, das ihnen Vergessenheit
verleiht; dann kehren sie zurück auf die Erde in die
Körper.
Die alten Kirchenväter teilten die Lehre von der
Wiedergeburt (Origenes, Clemens von Alexandrien, Gregor
von Nyssa usw.). Nach der Finsternis des Mittelalters
griffen die Humanisten die Theorie wieder auf, ferner die
Kabbalisten, Paracelsus, van Helmont, Cardanus usw. Sie
nahmen, sagt Gabriel Delanne, die herrliche Idee
der Läuterung der schuldbeladenen Seele auf dem Wege
des Fortschritts der fortgesetzten Leben an im Gegensatz
zu dem Dogma, daß ein einziges irdisches Leben für immer
über die Zukunft der Kreatur entscheiden soll. —
Unter den Modernen nennt Delanne vor allen Leibniz,
der in seiner Theodicee von der Präexistenz der Seele (in
der Form einer Monade) spricht. Ferner seine Schüler
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