http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1914/0208
Gerstmann: Zum Kapitel vom Fernsehen und Voraussehen.
201
höher zu bewerten ist, als das, was uns von dritter Seite,
mag sie uns auch noch so zuverlässig erscheinen, berichtet
wird, ist selbstverständlich; fehlt ja doch jede Kontrolle,
ob nicht bei der Wiedergabe Einzelheiten, mögen sie auch
scheinbar nebensächlich und von minimalster Bedeutung
gewesen sein, ausgelassen oder vergessen wurden.
Aus meiner eigenen Erfahrung, als ureigen erlebt,
kann ich nun mehrere Fälle ganz unzweifelhaften Fernsehens
mitteilen. Sie unterscheiden sich von den von
Herrn Dr. Bock erzählten insofern, als es sich bei ihnen
nicht, wie bei mehreren der von ihm geschilderten Erlebnisse
, um Kundgebungen Abgeschiedener handelt, um
„Manifestationen", wie man in den Kreisen der Spiritisten
solches Hineinragen, solches Herüberwirken aus der Welt
der Geister in die Welt der Wirklichkeit, der Alltäglichkeit
, des mit unseren Sinnen Wahrnehmbaren bezeichnet.
Die von mir erlebten Fälle dürften vielmehr ausschließlich
als solche des Voraussehens zu rubrizieren sein — höchstens
, daß der dritte der hier erzählten Fälle, der an sich
schon etwas komplizierter Art ist, gleichzeitig als Material
für Untersuchungen auf dem Gebiete des Fernsehens und
auch des Fernwirkens dienen dürfte.
Ohne irgendwelche Schlüsse aus dem Erlebten ziehen
zu wollen, will ich die Ereignisse erzählen. Daß ich mich
peinlich bemühen werde, mich jeder Ausschmückung, jedes
Zusatzes zu enthalten, ist selbstverständlich; — will ich
doch Tatbestände schildern, die den Fachspezialisten objektives
Material bieten sollen zur Aufbauung, Erweiterung,
Berichtigung ihrer Theorien. -
Der erste der Fälle datiert in meine Kinderzeit zurück.
Der zahlreichen Kinderschar entsprechend, hatten wir im
Kinderzimmer einen Spiel- und Arbeitstisch von ungewöhnlicher
Dimension. Ich habe niemals nachher einen Tisch von
auch nur annähernd solcher Breite und Weite gesehen; ich
glaube, er war nach eigenen Angaben meiner Eltern angefertigt
worden, damit an jeder seiner vier Seiten mehrere
von uns Kindern Platz hätten, ohne daß das eine vom
anderen bei seinen Arbeiten gestört würde. Dieser Riesentisch
stand in der Mitte der Kinderstube unter dem Gas-
arm, dessen Rundflamme von einer mächtigen, fest auf
einem Messingreifen ruhenden Milchglasglocke abgeblendet
wurde. Eines Abends nun, als wir Kinder an dem von
dem Gaslicht überfluteten großen Tisch saßen, blickte ich
längere Zeit auf die Gasflamme und sagte ohne jede äußere
Veranlassung laut: „Das wird aber schön werden, wenn
jemand mit dem Kopf hier gegen die Gaslampe stößt und
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1914/0208