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208 Psychische Studien. XLf. Jahrgang, 4. Heft. (April 1914.)
„Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als eure
Schulweisheit sich träumen läßt,* wobei ja allerdings zu
bemerken ist, daß seit der Zeit des schwermütigen Dänenprinzen
unsere „Schulweisheit* sich vertieft hat und die
Grenzen unseres Naturerkennens sich ungemein erweiterten.
Welche gewaltigen Entdeckungen, durch die alle früheren
als unumstößlich hingestellten Theorien über den Haufen
geworfen wurden, hat unser jüngstes Zeitalter staunend erlebt
! War es doch in unserer Jugendzeit ein Lieblingsausdruck
der Lehrer dem Schüler gegenüber, in dessen
Schädel kein leuchtender Strahl der Erkenntnis zu gelangen
schien, den hoffnungslosen Vorwurf zu machen, er habe
„ein Brett vor dem Kopf*. Damit schien ja endgültig erwiesen
, daß kein Strahl der Erkenntnis durch diese undurchdringliche
Wand in des Schädels Nacht dringen
konnte. Und welcher Lehrer wird in unserer Zeit der
Röntgenstrahlen, die sieghaft auch die dicksten Bretter
durchleuchten, noch einem Schüler mit solchem leicht ad
absurdum zu führenden Vergleich kommen wollen? Vielleicht
ist es einer kommenden Generation beschieden, auch
für das Fernsehen und Voraussehen ganz einleuchtende
Erklärungen zu geben.
Antrittsrede
von Prof. Dr. Heinrich Bergson als Präsident
der Londoner „Gesellschaft für psychische
Forschung"
(gehalten am 23. Mai 1913).*)
Zuvor bitte ich die verehrten Damen wie Herren
freundlichst meinerseits die Versicherung entgegennehmen
zu wollen, daß ich für die mir zu Teil gewordene Auszeichnung
, den Präsidenteii-Stuhl dieser erlauchten Gesellschaft
innehaben zu dürfen, wahrlich nicht wenig verbunden
bin. Denn nur zu sehr bin ich mir bewußt, daß ich diese
Ehrung keineswegs verdient habe, und »war umsoweniger,
*) Meinand Geringeres als der ehemalige Ministerpräsident
Großbritanniens und Mitglied der Königlichen Gesellschaft (der
Wissenschaften für das vereinigte Königreich) A. J. Balfour hat
sich hinsichtlich dieser Antrittsrede des Prof. ßergson dahin geäußert
, daß sie zu den vorzüglichsten und wertvollsten gehöre, die
jemals in den Jahrbüchern jener Gesellschaft veröffentlicht worden
seien. — Wir entlehnen obige Übersetzung von Dr. R. J. der „Zeit-
schr. f. Spir." Nr. 6 u. ff. er. — Ked.
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