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210 Psychische Studien. XLI. Jahrgang. 4. Heft. (April 1914.)
ich mich des mir zu Teil gewordenen unerwarteten Glückes
freuen, das mir nicht nur für einige Stunden, sondern sogar
für einige Monate zu Teil geworden ist, nämlicli an
der Spitze eines so tapferen Regiments zu stehen. —
Woher kommen denn nun diese Vorurteile, welche man
seit langer Zeit den psychischen Studien entgegenbringt
und heute noch zum großen Teile bewahrt ? Wie soll man
es erklären, daß Gelehrte, die es für ganz natürlich finden,
daß man unter ihrer Leitung anscheinend unbedeutende
Laboratoriums - Arbeiten ausführt, und die nicht darüber
nachdenken, daß für die Wissenschaft überhaupt nichts Unbedeutendes
existiert, — sich mit solcher Gewalt Ihren
Studien verschließen, ja sie sogar nicht einmal als wissenschaftliche
Studien anerkennen möchten ? Uber diesen
Punkt zunächst einige Worte zu verlieren, halte ich für
geboten. Nichts liegt mir dabei ferner, als Ihre Kritik zu
kritisieren, lediglich aas bloßem Vergnügen, auch meinerseits
Kritik zu üben. Vielmehr erachte ich nämlich, namentlich
was die Philosophie anbetrifft, jede Minute, die der
Widerlegung gewidmet ist, für verlorene Zeit. Wenn der
eine so redet und der andere so und jeder seine Meinung
zu behaupten und zu beweisen sucht, was kommt denn dabei
heraus? Garnichts, rein garnichts — oder wenigstens
doch wenig. Was wird denn von beiden Seiten der Wissenschaft
Positives geleistet? Die wahre Behauptung wird
auf einem falschen Gedanken aufgebaut und wird, ohne
daß sich jemand die Mühe zu einer Widerlegung genommen
hätte, gleichsam die beste der Widerlegungen. Doch handelt
es sich hierbei noch um etwas ganz Anderes als widerlegen
oder kritisieren. Zeigen möchte ich, daß trotz der Vorurteile
der einen und dem Gespötte der anderen es dennoch
unsichtbar, jedoch gegenwärtig eine gewisse Metaphysik
gibt, die sich selbst nicht bewußt ist — unbewußt und infolge
dessen auch bestandlos — unbewußt und infolge
dessen unfähig, sich unaufhörlich von neuem zu modellieren,
wie es so zu einer ihres Namens würdigen Philosophie gehört
hinsichtlich der Beobachtung und des Experimentes —,
daß übrigens diese Metaphysik natürlich ist, daß sie sich
seit geraumer Zeit durch den Geist der sogenannten Aufklärung
in einem Winkel verborgen hält und daß wir seit
dieser Zeit mit lebhaftem Interesse daran gehen, sie hinter
den sie verhüllenden Kritiken und Spöttereien hervor-
zusuchen, um ihr unseren Schutz angedeihen zu lassen.
Natürlich müssen wir darauf bedacht sein, daß sie ihrerseits
nicht einen Einfluß ausübt, noch uns auf unserem Wege
künstliche Hindernisse entgegenstellt. Ehe wir jedoch
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