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Freimar: Ein französischer Roman über Wiederverkörperung. 229
oder so [das Wie werden wir erst später richtig und ganz
verstehen]; ihre seelische Kraft kommt bis zu uns und
durchdringt uns." —
Um der literarischen und philosophischen Wirkung
dieses herrlichen Werkes, das den auch in unserer Monatsschrift
bevorzugten Ideen auf neue und fesselnde Art Ausdruck
gibt, ganz gerecht zu werden, muß noch betont
werden, daß sein Vorzug unter dem psychischen und metapsychischen
Gesichtspunkt eben darin besteht, daß es die
geistig Hervorragenden, wie das große Lesepublikum, beim
Standpunkt ihrer gegenwärtigen Mentalität umfaßt und sie
Schritt für Schritt durch den verführerischen Reiz des Gedankens
, des Stils und der romantischen Intrigue in die
tiefsten Geheimnisse spiritualistischer Lebensweisheit einführt
. So können eben nur Franzosen schreiben. Durch
diesen unbeschreiblichen „Charme* gewinnt er die zögernden
Skeptiker und die profanen Gleichgiltigen wirksamer,
als jede agitatorische Propaganda es könnte, und bestärkt
zugleich die Eingeweihten und schon Gläubigen in ihrem
Glauben und ihrer Hoffnung. Es wäre zu wünschen, daß
dieses schöne Buch dux^ch eine gute Übersetzung auch dem
deutschen Publikum näher bekannt würde.*)
*) Pedantische Stubengelehrte werden nicht ermangeln, auch oben
besprochenem schönem Buch, ähnlich wie den Werken Flammarion's,
den Vorwurf bodenloser Phantastik zu machen und jeden praktischen
Wert abzusprechen. Wir sind, wie schon früher wiederholt angedeutet
, in dieser Beziehung anderer Ansicht. Wenn es auch feststeht
, daß auf streng wissenschaftlichem Gebiet nur durch exakte
Erforschung aller Einzelheiten ein Fortschritt erzielt werden kann,
so darf doch u. E. die hohe Bedeutung der mehr seelischen Erfassung
des Wesens aller Dinge durch geniale Meister des Worts
dabei nicht verkannt werden, worin eben die Franzosen den
deutschen Gelehrten überlegen zu sein pflegen. So hat auch das
vielgelesene Buch von E. Benan „La vie de J6sus* mit seinem
(übrigens auf genauen Detailstudien beruhenden), jeden feinfühligen
Menschen packenden Schilderungen des Milieus, in dem der „Meister
von Nazareth" ohne Zweifel gelebt hat, in den weitesten Volkskreisen
schließlich eine tiefer gehende, geradezu religiös stimmende
Wirkung erzielt, als das gelehrte, auf sorgfältig gesichtetem histo-
Friedrich Strauß, obschon für die gelehrte Forschung letzteres mit
seinem gründlichen Beweismaterial selbstredend weit wertvoller
bleiben wird. — Red.
rischem und theologischem
fußende Buch von David
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