Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
41. Jahrgang.1914
Seite: 230
(PDF, 179 MB)
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230 Psychische Studien. XLI. Jahrgang. 4. Heft. (April 1914)

Der Fall Wagner.

Von Dr. Grävell (Lugano).

Selten hat ein Verbrechen so viel Aufsehen erregt,
wie das des württembergischen Lehrers Wagner, dessen
geistiger Zustand ein Rätsel zu sein scheint. Daß jemand
gänzlich gefühllos aus reiner Bosheit so viele harmlose
Menschen umbringen will und dies kaltblütig Jahre lang
genau überlegt, ist gewiß noch nicht vorgekommen.

Man kann es auch auf gewöhnliche Art nicht erklären.
Geisteskrankheit ist ein Wort, dem man verschiedenen
Sinn unterlegen kann. Im Grunde besagt es auch nichts.
Denn wer kann bestimmen, was jedesmal krank ist? Gemütskrankheit
wäre schon besser. Aber jeder Verbrecher
ist gemütskrank. Zum bloßen Vergnügen, zur Unterhaltung
begfht keiner einen Mord. Er hlt fmmer Motive subjek?
tiver und objektiver Art.

Wer, wie ich, die Erscheinungen der Hexenprozesse
studiert hat, dem kann der Fall Wagner nicht zw&felhaft
sein. Es ist ein typischer Fall von Besessenheit,
d. h. von Ubersehattung durch geistige Wesenheiten. Er
tritt bei allen großen Verbrechern ein und liegt auch den
meisten „Geisteskrankheiten" zagrunde. Im kleinen zeigt
er sich schon bei den meisten hysterischen Persooen beiderlei
Geschlechts.

Wagner sagt selbst, daß er von frühe bis spät die An-
reizung zum Morden hätte, und schreibt gleichzeitig an Bekannte
, daß das, was er täte, keinen Sinn habe. Er sei zu
feige, um sich selbst umzubringen. Daraus folgt doch, daß
er mehr passiv war, den Einflüsterungen von Mächten
folgte, die ihn nach und nach infolge seiner geschlechtlichen
Ausschweifungen in Besitz nahmen. Wagner selbst
gibt in einem Brief geschlechtliche Exzesse als die Quelle
seiner Untaten an. Man wird hier in allem an die alten
Hexenprozesse erinnert. Auch damals stieß man bei
solchen verstockten Personen auf gänzliche Gefühlsertötung,
ja selbst im physischen Sinne bis zur Empfindungslosigkeit
. Vielleicht könnte man bei Wagner ähnliche Symptome
konstatieren. Jedenfalls wird dafe Bekanntwerden
seiner Lektüre manches Licht auf seinen geistigen Zustand
werfen können. Mystiker und schlechte Romane, Greuel
des Kinematographen, stumpfsinniges Insichhineinbrüten,
sich zurückziehen vom geselligen Verkehr, Hochmut,
Größenwahn, Eitelkeit, Sinnlichkeit (wahrscheinlich auch
unnatürliche, mit daraus folgender Verderbnis der Phantasie
) , Alkohol, Einsamkeit, Rachsucht, Lebensekel — das


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