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278 Psychische Studien. XLI. Jahrgang. 5. Heft. (Mai 1914.)
Ich erstaunte nicht wenig über das Zusammentreffen
der Zitation mit meinen Gedanken und hatte damit wieder
einen Beleg dafür, daß es doch Fälle gibt, wo andere
unsere Gedanken lesen, ohne daß sie auch
nur eine Ahnung derselben haben können
durch mündliche Mitteilung. Oft schon ist nnYs,
wie heute begegnet, daß ich im Gespräch mit jemanden an
ganz andere Dinge dachte, als an diejenigen, welche den
Gegenstand des Gesprächs bildeten, und auf einmal fing
der andere an, von dem zu reden, an das ich gedacht hatte.
Wie oft hört man, wenn man anderen etwas gesagt, ausrufen
: „Sie haben es mir aus dem Mund genommen. Das
wollt' ich eben auch sagen/ Und wer hat es nicht unzählige
Maie erfahren, daß, wenn man einem Vorübergehenden
nachschaut, in demselben Augenblick jener auch zurücksieht
, als hätte er unsere Gedanken und ßlicksrichtung
gelesen und gesehen? Goethe hat schon längst an dieses
„Gedankenlesen* geglaubt, wenn er einmal schreibt: „An
Geheimnisse, die niemand erfahren soll, muß man nicht
einmal in der Gegenwart seines besten Freundes denken.*
Erzeugen vielleicht unsere Gedanken ein magnetisches Flu-
idum, das von einem Nervenapparat zum andern hin abersäuselt
und so jene vorgenannten Erscheinungen hervorbringt
? Wer wird diese Dinge ermitteln ?*
Auch das „Hellsehen* ist unserem Hansjacob bekannt
und er äußert sich hierüber im gleichen Werk:
„In diesen Tagen fand der Prozeß gegen den „Schlofer*
von Dorlisheim im Elsaß statt, und mein Leidensgefährte
zur Rechten und ich sprechen öfters von diesem Prozeß,
um so mehr, als mein Nachbar im Magnetismus sehr daheim
ist und selbst den Schlofer kennt. Was ich von dem Mann
früher gehört und jetzt wieder höre, stellt zweifellos fest,
daß derselbe im magnetischen Schlafe Hellseher ist, und
ich bin überzeugt, daß die Zeit kommt, wo man die Verurteilung
des Schiefers beurteilen wird, wie heute einen Hexenprozeß
des 17. Jahrhunderts. Der Materialismus unserer
Tage, namentlich in der Medizin, sträubt sich gegen dies
magnetische Hellsehen, weil dieses ihm ans Leben geht,
und nennt es Schwindel. Geistliche Herren auf der anderen
Seite nennen es Aberglauben. Mit den Schlagwörtern
Schwindel und Aberglauben wird man jedoch die Tatsache
des Hellsehens ebensowenig aus der Welt schaffen, als man
heute noch behaupten wollte, es sei Humbug und Aberglauben
, daß die Erde sich um die Sonne bewege. Einer
der größten Denker des 19. Jahrhunderts, ein Mann, frei
von Schwindel und Aberglauben, Schopenhauer, sagt mit
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