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Literaturbericht.
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erhoffen. Dazu ist die Zeit noch nicht reif. Das sollte jedoch den
Verfasser nicht abhalten, auf der einmal beschrittenen Bahn kühn
und furchtlos weiter zu gehen und etwa durch öffentliche Vorträge
den Gedanken einer esoterischen Zukunftskirche auf Grundlage der
neuen Erkenntnisse vom Jenseits in weitesten Kreisen auszubreiten.
Dies würde vielleicht dazu beitragen, daß die kirchlichen Behörden
sich auf Grund des preußischen Irrlehregesetzes näher damit befaßten
. Georg Suizer.
Thanatos. Probleme und Rätsel. Von Richard Gumprecht. Verlag
von Karl Ourtius, Berlin W. 1913 (240 S. 8°. Preis 3 M.). -
Nicht an den Thanatos der Apokalypse, die schreckliche Gestalt
auf fahlem Bosse, mit dem Hades im Gefolge, will der Titel
dieses gedankenvollen Buches erinnern, sondern an den Thanatos
des Praxiteles — „vielleicht das schönste, und sicher das ergreifendste
Werk des Meisters, was die heutige Welt noch von ihm besitzt."
Ein ähnliches Bild hat dem Verfasser die Leiche eines Mädchens
geboten, die selbst den Tod gesucht hatte, einen zweiten Tod; denn
sie wußte anzugeben, daß sie vor 300 Jahren in derselben Umgebung
gelebt habe. Und auch der Verfasser versuchte eines Tages, während
seines Aufenthaltes in Kom, aus diesem Leben, das ihm als eine
Kette von Leiden erschien, durch „das dunkle Tor* hinauszugehen.
Ergreifend ist die Schilderung des inneren Wandels, den die Verhinderung
des Selbstmordes in ihm bewirkte. Seitdem erträgt er in
Ergebung das eigene Schicksal, leitet den „Sinn des Lebens* her
aus dem Gesetze deb Karma, betrachtet mit Teilnahme die Schicksale
der Menschheit und den „Geist der Zeiten*, erwägt die mannigfachen
Eätsel, die mit „Kosmos-Überlieferung und Forschung* sich
ergeben und ihrer Lösung harren, spricht über „das Ewig-Weibliche"
mit der Erwartung, „daß die Hochflut der mit männlichem Geiste
gesättigten Zeit der Frauen und der mit weiblichem Geiste erfüllten
Männer wieder abebben wird, und die Frau zu ihren normalen
Funktionen, zu denen sie die Natur berufen, zurückkehren wird*,
und sinnt der Wellenbewegung nach, die mit dem Auf- und Absteigen
der Kultur allenthalben gegeben erscheint, und die 3ich ihm
besonders aufgedrängt hat bei seinen „Träumereien in Born". Jeder
von den hier angedeuteten Aufsätzen fesselt durch die Fülle der
Gedanken, wie durch die Schönheit der Sprache, die vor allem
farbenreich wird in der Herbstbetrachtung: „Mein Garten".
Wernekke.
Astrologie und Heilkunde. Ein vorläufiger Beitrag zur Kenntnis der
Entstehung der Syphilis vor der Entdeckung Amerikas. Von
Dr. Stephan Stein lein. Groß 8°, 20 Seiten. München, 1914.
Bayerische Verlagsanstalt K. Th. Senger.
Der Verfasser gehört zu der leider kleinen Zahl von Ärzten,
deren Interessen über die Tagesfragen hinausreichen und die die
Heilkunst der Gegenwart als etwas Gewordenes, auf den Schultern
der Vergangenheit Buhendes auffassen. Er führt den strikten Nachweis
, daß behufs der Ermittelung der Entstehung der Syphilis in
Europa die alten Urkunden vollständig genügen, wenn man nur versteht
, dieselben richtig zu lesen. Die damalige Wissenschaft aber
war vollkommen mit der Astrologie verknüpft, und da die heutige
Wissenschaft die letztere prinzipiell verwirft, so läßt sie auch die
älteren historischen Urkunden, welche auf sie basiert sind, unbeachtet
. Was wüßte sie auch damit anzufangen, da sie ja das Verständnis
für den Geist verloren hat, in dem sie abgefaßt sind? So
ist denn die vorliegende Schrift als eine dankenswerte Tat zu be-
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