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820 Psychische Studien. XLI. Jahrgang. 6. Heft. (Juni 1914.)
Erscheinen der Gesichtszüge des verstorbenen Neffen der
Mme. Bisson (am 24. Juni 1912), ferner eines Bildes (Abbildung
59), das offenbar durch das gesehene und damals
wegen des Diebstahls im Louvre viel besprochene Bild von
Lionardo da Vinci (Mona Lisa) inspiriert wurde. Auch
hier haben wir keine sklavische Ähnlichkeit, aber eine impressionistische
Wiedergabe des Stils, in welchem das Bild
gemalt worden ist."
Es würde den Rahmen dieser Arbeit überschreiten,
hier die interessanten und scharfsinnigen Ausführungen Dr.
v. Schrenek's über die Ideoplastik und ihren engen
Zusammenhang mit dem Seelenleben des Mediums, über
Hypermnesie(Steigerung des Gedächtnisses) und K ry p-
tomnesie (Bewußtwerden eines latenten Gedächtnisbildes,
welches nicht primär, sondern auf dem Wege der nachträglichen
Wiedererkennung erst als solches erkannt wird)
wiederzugeben. Der Leser, welcher sich ein Urteil über
die merkwürdigen Erscheinungen bilden will, wie sie uns in
den Schöpfungen der teleplasmatischen Mediumität einer
Eva C. entgegentreten, muß den betreffenden Abschnitt der
Verteidigungsschrift aufmerksam studiert haben, wie nicht
minder die wiederholt in der okkultistischen Literatur erschienenen
Parallelfälle kennen: dann, erst dann wird er
erkennen, welch' großen Schritt Dr. v. Sehrenck's
glänzende Porschungsmethode in dies
dunkle Gebiet getan hat. Aber, geehrter Leser,
das meistenteils seichte Gerede oft gänzlich unerfahrener
Gegner, wie es in den Tageszeitungen aufzutauchen pflegt,
ist selbstredend keine Fundgrube für solch' tiefere Erkenntnisse
.
Die okkultistische Forschung verlangt neben umfassendem
Studium unbedingt Erfahrung; — wer letztere
nicht besitzt, dessen Urteil ist nicht einwandfrei und daher
nicht maßgebend. Man kann ein großer Gelehrter sein
und dennoch vom Okkultismus keinen Schimmer haben!
Damit ist allerdings nicht gesagt, daß der okkultistische
Forscher imstande ist, die ihm sich bietenden Rätsel
zu lösen und den Schleier von den Mysterien hinweg zu
ziehen.
Der teleplasmatische Schöpfungsakt ist uns vorläufig
ein solch unverständliches Rätsel. Wir sehen indeß, daß
die kryptomnestische Funktion des Gedächtnisses in den
somnambulen Zuständen häufig auftritt und können aus
den Phänomenen den Schluß ziehen, daß „Reminiszenzen
einmal aufgenommener Gesichtseindrücke, Fragmente aus
Traumbildern unbewußt mit den ideoplastischen Schöp-
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