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Clericus: Magicon
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Allee. Jetzt trete der Kommende ins Haus, sagte sie, jetzt
sei er auf der Treppe, nun vor der Tür und schnauze sich
— und siehe da! — da zog die Klingel an.
Der interessanteste Fall mochte folgender sein: Marianne
erblickte ein jenseits der Elbe wohnendes Ehepaar in anscheinend
großer Trauer. Die Frau hatte das Gesicht ins
Sofakissen gedrückt, während ihr Mann mit einem offenen
Briefe bei ihr stand. Das Zimmer aber, in welchem sich
beide befanden, schien der Kranken unbekannt. Da sie
sich nun mit der Frage quälte, was dort vorgefallen, so
eilte mein Vater nach der Altstadt (Dresden), um jene
Personen aufzusuchen. Es waren dies ein Konsistorialrat
Nauwerk und seine Frau, eine Tochter des bekannten
Leipziger Professors Plattner. Beide fand mein Vater in
Tränen, da sie soeben die Nachricht von Plattncr's Tod
erhalten hatten. Das Zimmer aber war neu tapeziert und
die Möbel umgestellt. Wohl weiß ich, daß man dergleichen
Geschichten gern in's Fabelbuch verweist; auch kann ich
nicht als Augenzeuge reden, da ich damals nicht in Dresden
war; dennoch aber glaube ich, auf die Autorität des Arztes
und meiner Eltern bin, die obige Begebenheit als wohlverbürgte
Wahrheit geben zu dürfen. Marianne genas auf
den Gebrauch von Mitteln, die sie sich in ihrem hellsehenden
Zustande selbst verordnete, und blieb in unserer Familie,
solange wir in Dresden bebten." —
AIP die berichteten Fälle zeigen, daß die okkulten
Tatsachen immer und überall bezeugt werden auch von
Personen, die von einer okkulten Forschung nichts wußten
und nichts wissen konnten, daher um so überraschter waren
von Ereignissen, in deren unleugbaren inneren Zusammenhang
sie noch keine Einsicht hatten, während ihnen aber
eben dadurch die Ahnung bezw. die Gewißheit wurde, daß
über dem Reich des mechanischen Geschehens ein höheres
Reich geistiger Realität existieren müsse, das seine ihm
eigenen Gesetze hat. Und wer möchte leugnen, daß nicht
im Innern eines jeden nicht durch einen öden Materialismus
verblendeten Menschen etwas wohnt, das sich dieser Erkenntnis
herzlich freut, wie dies schon der scharfblickende
Kenner der tiefsten Regungen der menschlichen Seele,
Schopenhauer, ausgesprochen mit den Worten*): »Sogar
das uns innewohnende und unvertilgbare begierige Haschen
nach dem Wunderbaren zeigt an, wie gern wir die so langweilige
, natürliche Ordnung des Verlaufs der Dinge unter-
*) Parerga und Paralipomena, Oap. 9: Von der Nichtigkeit de»
Daseins, § 146.
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