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Olericus: Magicon
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tausendsten Mal bezeugt sind. Charakteristisch ist jenes
wohl nicht objektiv reale, sondern subjektiv empfundene
mystische Geräusch, das gern bestimmte Handlungen nachahmt
. Ludwig Richter hatte auch die Überzeugung von
der Existenz eines Unbewußten in der menschlichen
Psyche, dessen Realität er, der künstlerisch Schaffende, in
sich selbst gefühlt. „Das Beste im Menschen kommt aus
einem Grund des Unbewußten*, notiert er einmal in seinem
Tagebuch (»Lebenserinnerungen* S. 184).
„Die genialen Gedanken großer Künstler nennen wir
Eingebung; sie kommen aus dem Grund des Unbewußten
in glücklichen Momenten wie ein Blitz.* Daß er an sich
selbst diese Erfahrung gemacht, als er in Rom tätig war,
erzählt er ebenda S. 166. Lange hatte er vergeblich über
die Komposition eines neuen Bildes nachgesonnen, unmutig
schaute er eines Tages in der Dämmerung durch die erblindeten
Fenster seines kleinen Stübchens,als plötzlich die Komposition,
an die er nicht im geringsten gedacht hatte, fix und fertig,
wie lebendig in Form und Farbe vor ihm stand, so daß er
zur Kohle griff und die ganze Anordnung auf den Karton
brachte. Es war ihm das um so auffallender, als er tagelang
sich in keiner Weise mehr mit dem Bild beschäftigt
hatte. „Die Idee mußte ganz unbemerkt, gleichsam in der
Stille, in mir gereift sein und trat nun, indem sie sich ablöste
, wie die Frucht vom Baume, aus ihrem Dunkel ins
helle Tageslicht des Bewußfseins.* Ebenso tief und richtig
ist die Beobachtung, die er S. 119 niederschreibt: „Es gibt
Lebenseindrücke oft unscheinbarer Art, die im Gemüt einen
geeigneten Boden finden, weil sie einem inneren Bedürfnis
entgegenkommen, die dann lange Zeit unbeachtet zu ruhen
scheinen, aber dennoch unbewußt im Innern
fortarbeiten, um gleichsam ihren Nahrungsstoff in
Fleisch und Blut abzusetzen und einem künftigen Eindruck
nach dieser Seite hin mehr und mehr den Soden zu bereiten
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