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Wenzel-Ekkehard: Spiritismus und Wissenschaft. 409
Wahrnehmung zugänglichen Tatsachen zu erforschen, so
muß notwendigerweise eine Arbeitsteilung eintreten in der
Art, daß jeder ein Arbeitsgebiet erwählt, für welches er
das entsprechende Einfühlungsvermögen mitbringt. Auch
dann wird er zur Erreichung des Zieles sich der größtmöglichen
Kraftökonomie befleißigen müssen. Da für die
Arbeit nicht selten ein Menschenleben zu kurz ist, und da
der sich unaufhörlich erweiternde Tatsachenbestand eine
fortgesetzte Differenzierung der wissenschaftlichen Arbeit
erheischt und selbst eng begrenzte Arbeitsgebiete ihr Gesicht
stets verändern, indem durch immer neu hinzukommende
Tatsachen das Frühere ergänzt oder erschüttert
wird, so muß die Arbeit so getan werden, daß sie jederzeit
von jedem andern wieder aufgenommen und fortgeführt
werden kann, eben wie man in einen bereits geordneten
Zettelkasten neue Zettel steckt oder Zettelgruppen
nach neuen Prinzipien umordnet. Das gibt der Arbeit ein
anderes Besondere: sie muß mit größter Wahrhaftigkeit
und Genauigkeit getan werden. Damit die vielen
Individuen, die an einem gemeinsamen Werke tätig sind,
sich in einander einarbeiten können, müssen sie — wie die Zettel
im Kasten ein einheitliches Format haben — eine einheitliche
Schulung durchmachen, die im allgemeinen die Vermittlung
der Kenntnis des technischen Apparates der Wissenschaft,
im besonderen Vermittlung des bisherigen Tatsachenbestandes
und der Arbeitsbedingungen eines bestimmten
Gebietes und seiner Probleme bezweckt. Naturgemäß entwickelt
sich dabei unter den wissenschaftlichen Arbeitern
das Streben nach Solidarität, was bei dem Außenstehenden
leicht den Anschein erweckt, die Wissenschaftler seien
eine Kaste für sich. In Wirklichkeit sind die Grenzen der
Wissenschaft nach allen Seiten hin offen und erweiterungsfähig
. Menschen, die sich ihr widmen, sind mit einander in
freier Arbeitsgemeinschaft verbunden.
Der Forschung- ist alles zugänglich, was wahrnehmbar
ist. Es gibt keine Wahrnehmung, sei sie nun einfach und
direkt durch unsere Sinne oder indirekt durch Reflexion
gewonnen, die nicht die Forschung sich zum Ziele nehmen
könnte. Zu den direkten Wahrnehmungen möge man auch
die mit Apparaten (künstlichen Verfeinerungen unserer
Sinne) aufgenommenen zählen, zu den indirekten die aus
Wahrnehmungskomplexen abstrahierten Begriffe. Die Mitte
zwischen beiden nehmen jene Tatsachen ein, die der Operateur
auf grund von Aussagen feststellen kann, deren Inhalt
der Bestätigung durch Aufsuchung von Ubereinstimmungen
und Ähnlichkeiten oder Gegensätzen mit anderen Tatsachen
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