http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1914/0418
Maier: Materialisations-Phänomene. 411
Zur Veranschaulichung dieser überlegen skeptischen
Auffassung werden dann zwei kürzlich in Prag vorgeführte
rätselhafte Experimente mit Hellsehern angeführt, wobei
der Berichterstatter den Eindruck erhielt, daß die scheinbaren
Wunder „einfach auf einem plumpen Trick* beruhen,
den er aber leider nicht angibt, sei es, daß er ihn nicht
entdeckte oder es für überflüssig erachtete, sich bei der««
artigem offenbaren »Schwindel* länger aufzuhalten. —
Unter den eingegangenen Gutachten über v. Schrenck^,
Werk verbreitet sich Dr. Theodor Altschul, k. k. Obersanitätsrat
in Prag, am ausführlichsten über „ Geheimwissenschaft
(Okkultismus), Materialisationsphänomene und die
Experimente des Freiherrn von Schrenck-Notzing*. In einer
weitausholenden Einleitung bezeichnet dieser sehr angesehene
Arzt den „Glauben an das Wunder als ein Erbübel der Menschheit
, gewiß so alt wie das Menschengeschlecht/ Die Gründung
aller Religionen basiert nach ihm auf dem Wunderglauben, auf
Auto- und Fremdsuggestion. An diesem Glauben könne,
wenigstens vorläufig die exakte naturwissenschaftliche Forschung
nicht viel ändern, trotzdem es ihr in vielen Fällen
gelungen ist, die vermeintlichen Wunder als natürliches
Geschehen aufzuklären. Er verbreitet sich sodann über
den nach seiner Ansicht einzig richtigen Gottesglauben an
einen Vater aller Menschen und Geschöpfe, wobei es
ihm geradezu als eine Gottesleugnung erscheint, diesem
höchsten Wesen, wie es alle Konfessionen tun, die Form
gleichsam vorschreiben zu wollen, unter welcher es verehrt
werden muß, ja als Gotteslästerung, ihm menschliche Schwächen
anzudichten und anzunehmen, daß Gott sich durch
äußerliche Zeremonien, und anzunehmen, daß er durch solche
sich mehr „verehrt* sieht, als durch gute Taten und menschliche
Tugenden. Statt dieses „natürlichen und gewiß einem
höchsten Wesen, das der Vater aller Menschen ist, nur gefälligen
Glaubens an die Nächstenliebe, an den Wert der
guten Tat, des Wohltuns, an die Menschheit* glaube man
aber lieber an „Wunder*, durch welche sich dieses höchste
Wesen „offenbare*, und konstruiere sich eine „übersinnliche
Welt", die man durch Medien zwingen wolle, sich unseren
leiblichen Sinnen, den Augen und Ohren zugänglich zu
machen; man gucke so — oder vermeine es wenigstens —•
ein bißchen hinter die Kulissen des Jenseits, lasse seiner
Phantasie die Zügel schießen und bilde sich ein, die
„Geisterwelt" erschlossen zu haben. —Was alle diese erbaulichen
Betrachtungen mit dem Werke v. Schrenck's, der ja,
wie Verfasser selbst betont, die mystisch-spiritistische Auslassung
ausdrücklich und energisch, ablehnt, zu tun haben
97 ««
w f
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1914/0418