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418 Psychische Studien. XLI. Jahrgang. 7. Heft. (Juli 1914.)
scheinungen herantritt, darf und muß man das Medium in
seinen spiritistischen Anschauungen belassen. Dieselben
bilden höchstwahrscheinlich einen Antrieb für die schöpferische
Gestaltung während der Trance. Diesen Glauben
zu zerstören und bei den meist minder gebildeten Medien
durch vage wissenschaftliche Hypothesen zu ersetzen trachten
, würde ungefähr gerade soviel bedeuten, als wenn man
einen Dichter — schließlich ist auch das Medium eine Art
Dichter —, der aus seinem hochfliegenden Idealismus heraus
ein Werk zu schöpfen im Begriffe ist, vorher dazu bekehren
wollte, daß sein Idealismus eine ganz verkehrte, unsinnige
Weltanschauung sei. Man würde wahrscheinlich nichts
anderes damit erreichen, als seine dichterische Gestaltungskraft
, das legitime Kind seines Glaubens, flügellahm zu
machen. Womit natürlich durchaus nicht gesagt sein will,
daß der Glaube, die Weltanschauung des Dichters mit dem
Glauben des Mediums auf eine Stufe zu stellen sei. Es
handelt sich hier nur um eine Analogie, um ein vergleichendes
Beispiel.
Ich habe Vorstehendes nur aus dem Grunde erwähnt,
um den Einwänden gewisser unerfahrener Kritiker zu
begegnen, welche sich immer über die photographierten
„Geister* lustig machen. Die „Geister* existieren wohl in
der Phantasie des Mediums, nicht aber im kühl kritischen
Intellekt des wissenschaftlichen Beobachters. — Auf Ihre
erste Frage kann ich nur antworten, daß ich die Berichte
Dr. von Schrenek-Notzing's durchaus für wissenschafliche
Arbeiten halte, wie dies bei den anerkannten Qualitäten
des Münchener Forschers auch nicht anders zu erwarten
war. Man vergesse nur nicht, daß es sich hier um die
Erforschung eines wissenschaftlichen Neulandes handelt,
wobei anfangs gar manche Fehlerquelle noch übersehen
werden kann. Auch hat man es hier mit Phänomenen so
bizarrer und eigentümlicher Art zu tun, daß es ganz selbstverständlich
ist, wenn Zweifel an allen Ecken und Enden
rege werden. Ich weiß dies nur zu gut von mir selbst, der
ich auch erst vollkommen überzeugt war, als ich das ein-
wandsfreie Entstehen derartiger Erscheinungen mit eigenen
Augen gesehen hatte. Wenngleich das Phänomen der Materialisierung
auch schon von anderen wissenschaftlichen Forschern
beschrieben wurde, so hat doch keiner von ihnen
seine Beobachtungen mit einer derartigen Genauigkeit und
exakten Kontrolle angestellt wie Dr. v. Schrenck-Notzing.
Auch hat er es in seiner zweiten Arbeit verstanden, alle
ernster zu nehmenden Einwände, die nach dem Erscheinen
seines ersten Berichtes erhoben wurden, gründlich zu
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