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426 Psychische Studien. XL1. Jahrgang. 7. Heft. (Juli 1914.)
Wenigen, die den Durchschnitt überragen. Darum hat
die Tote auf ein grünes Eeis dankbaren Gedenkens Anspruch
.
Bertha v. Suttner war die Tochter eines Kriegsmannes,
des österreichischen Feldmarschalls Grafen Franz Kinsky,
dem sie am 9. Juni 1843 in Prag geboren wurde. Daß sie
auf Grund dieser aristokratisch - militärischen Abkunft sich
in sozialen Sphären bewegte, in denen man für ihre spätere
Tätigkeit als Friedenskämpferin keine besonderen Sympathien
zu zeigen pflegte, leuchtet ein. Ungünstige Veränderungen
in ihren Vermögensverhältnissen veranlaßten
sie, frühzeitig nach Selbständigkeit zu trachten. So wurde
sie zuerst Erzieherin im Hause des Freiherrn von Suttner.
Mit dem Sohn des Hauses, Artur Gundakar, schloß sie
nachmals gegen den Willen der beiden Familien den Bund
fürs Leben, und um sich durchzusetzen, ging das junge Paar
hinaus in den Kaukasus, zunächst zu einer befreundeten
Dame der hohen Aristokratie, bald aber zu erfolgreicher
erzieherischer und schriftstellerischer Tätigkeit. Neun Jahre
später (1885) kehrten die beiden in die Heimat zurück, wo
sie auf dem Gute Hermannsdorf in Niederösterreich Wohnung
nahmen. In dieser Zeit erst trat, infolge des reichen
und vielseitigen Verkehrs des Paares mit bedeutenden
Führern der Literatur, Kunst und Politik, jener Umschwung
in der Denkweise Bertha v. Suttner^s und ihres ihr gleich-
gesinnten Gatten ein, der sie mit einem Schlage an die
Spitze der Bewegung für den Völkerfrieden stellte und der
in dem berühmten 1890 erschienenen Roman „Die Waffen
nieder!* seinen literarischen Ausdruck fand. Wenige
Bücher haben in kurzer Zeit ein so ungeheures Aufsehen
erregt, sind so gepriesen und befehdet worden und haben
eine solche Zahl von Auflagen erlebt, wie dieser furchtbare
Protest gegen den im Kriege organisierten Menschenmord.
Die Verfasserin hat ihm später eine Fortsetzung „Martha's
Kinder* folgen lassen, die aber bei weitem nicht die Berühmtheit
ihrer Vorgängerin erreicht hat.
Die Lebensarbeit Bertha v. Suttnei^s ist nicht ohne
praktische Erfolge gewesen. War sie doch infolge ihrer
Beziehungen zu dem russischen Staatsrat von Bloch die
erste und eigentliche Anregerin der Haager Friedenskonferenzen
. Sie war es auch, die ihren Freund Nobel zu der
großen Stiftung für die Friedensidee veranlaßte. Ihre
größte Bedeutung aber liegt doch vor allem in ihrem unerschrockenen
, vor keinen Anfechtungen zurückweichenden
Auftreten, ihrer tapferen Rücksichtslosigkeit im Dienste des
Friedens und des Fortschritts der Menschheit, nicht zum
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