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Physik und Fakir.
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Fakire sind von Frömmigkeitsfanatismus durchdrungene
Menschen, die oft auf die unglaublichsten, unmöglichsten
Geschichten verfallen, um durch Selbstpeinigung ihr Gemüt,
ihre Seele zu reinigen und ein ihrem Gott wohlgefälliges
Werk zu tun. So hauste bei Ahmedabad jahrelang einer,
der Tag und Nacht den rechten Arm senkrecht in die
Höhe hielt, der ihm nun vollständig bis zur Schulter eingetrocknet
war und als mumifizierter Knochen in die Höhe
stand; so wohnt einer bei Amritsar seit Jahren in einem
ganz kleinen Kasten, in dem er mit hochgezogenen Knieen
3en ganzen Raum einnimmt; so schlafet in%llen Teilen
Indiens solch fromme Männer ständig auf nägelbeschlagenen
Brettern; so sind in dem merkwürdigen Lande noch mancherlei
seltsame Heilige anzutreffen, aber fahrende Schausteller
sind das nicht, wenn sie auch häufig Geldgeschenke
gern annehmen.
Die Zauberer und Schlangenbändiger dagegen ziehen
im ganzen Land herum und kommen heutzutage sogar nicht
bloß in europäische Zirkusse, sondern von da aus auch als
regelmäßige Gäste in vielbesuchte Orte und mit Vorliebe
in Fremdenorte, nach Kairo, an die Eiviera, nach Interlaken
und noch weiter herauf. So verschieden diese nun nach
ihren Leistungen sind, so führen sie doch alle das ihnen
eigene Lärminstrument mit sich, eine kleine Doppeltrommel,
in der Form fast wie eine alte Sanduhr, an deren dünnem
Mittelstück eine Schnur mit einem Kügelchen befestigt ist.
Das rasche Hin-und-herdrehen dieses Instruments läßt einen
leisen, aber durchdringenden Trommelwirbel ertönen, die
Ankündigung des Gauklers. Manche „Annas* (Münzen)
habe ich springen lassen, mancherlei wundersame und
unerklärliche Kunststücke, grausige Hantierungen mit
scharfen Schwertern und in Körben oder Netzen verpackten
Buben oder Weibern gesehen, aber nie die Geschichte mit
dem Seil. Elok."
Der Leser wird nun sein Urteil sich auf besserer
Grundlage leicht selbst bilden können.
Kurze Notizen.
a) Prof. Bergson auf dem Index. Der „Tägl.
Rundschau * wird aus Rom gemeldet: „ Unter den am 3.
Juni er. auf den Index der verbotenen Schriften gesetzten
Werken sind drei Bücher des französischen Philosophen
Henri Bergson an der Sorbonne in Paris: „Essai sur
les donn£es immödiates de la conscienee* (1889); „Matifere
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