http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1914/0561
544 Psychische Btudien. XLI. Jahrg. 10. Heft. (Oktober 1914.)
Gestalt ist nach rechts vorwärts geneigt in einer Stellung
von sanfter Ergebenheit.
Die Erscheinung blieb unbeweglich 15—20 Sekunden
stehen. Als Prof. Morselli äußerte, daß er wegen der Binden
sie nicht deutlich sehen könne, hob das Phantom beide
Hände bis zu den Ohren und enthüllte mit graziöser Geste
das Gesicht, dann neigte die Gestalt anmutig; den Kopf
wie zum Gruße und schwand raso.h hinweg. Prof. Morselli
bemerkt, daß die Anwesenden genügend leit hatten, ihre
Beobachtungen auszutauschen. Man sagte, die Erscheinung
sei die berühmte „Katie King« gewesen.
2. Erscheinung. Man unterhielt sich noch in der
Sitzung über das eben Gesehene und der Tisch nahm mit
seinen gewöhnlichen Schlägen an dem Gespräche teil, als
plötzlich (11 Uhr) eine zweite Erscheinung hinter den geöffneten
Vorhängen im Räume des Kabinetts erschien.
Diesmal war es die Gestalt eines Mannes. Wieder sind
nur der Kopf, der Hals, die Schultern und der obere Teil
der Brust sichtbar. Die Farbe ist weißlich, aber nicht
selbstleuchtend. Die Morphologie ist deutlich zu erkennen.
Die Gestalt ist wahrhaft riesig, von hoher Statur, von
kräftigem Körper und mächtigen Knochen. Der Kopf ist
sehr groß, das Gesicht breit, mit starken Backenknochen,
dicker und kurzer Nase; der Bart ist struppig; die Schultern
sind viereckig und robust, mit einem Stierhals und
breiter Brust. Ein Schleier des medianischen
Gewebes bedeckt Haupt, Gesicht und Bart, Der Stoff
liegt um die Schultern in Falten. Zwei der Anwesenden
(Bozzano und Venzano) behaupten, die Bronzefarbe des
Gesichtes durch den Schleier hindurch bemerkt zu haben.
Das zweite Phantom blieb eine Minute in Erscheinung
; man konnte sich wohl ein Urteil bilden und besprach
, ob es nicht „John King* sei. Die Gestalt grüßte
mit dem Kopfe und löste sich auf; zuerst verschwammen
die Gesichtslinien, dann wurden die Umrisse undeutlicher
und bald gewahrte man nichts mehr als das leere Dunkel,
über dem sich schließlich der Vorhang senkte. Professor
Morselli beeilte sich, nach dem Medium zu sehen. Eusapia
lag gebunden, wie vorher auf der Matratze, Jialblethargisch,
klagend und schwitzend. Man befreite ihr die Arme aus
den Fesseln, die sie schmerzten, nur die Füße und die Brust
blieben gebunden.
3. Erscheinung. Man setzte die Sitzung fort und
hörte, daß das Klavier geöffnet und geschlossen wurde,
ohne daß man sehen konnte, durch wen dies geschehe.
Doch zur selben Zeit bemerkte man, daß über dem Klavier
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1914/0561