http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1914/0575
558 Psychische Studien. XLL Jahrg. 10. Heft. (Oktober 1914.)
Aussage nach ein allheilendes Mittel, welches ihnen die
Gesundheit erhält.Ä —
„„In den glücklosesten Jahren ihres Lebens hat die
Markgräfin — sagt der Herausgeber S. 479 — einer Mode
der Zeit folgend, diese Denkwürdigkeiten niedergeschrieben,
ohne deren Veröffentlichung zu beabsichtigen. [Sie selbst
schreibt 8. 427: „Vielleicht hielt ich mich bei diesem
Gegenstand (Beschreibung der Eremitage), zu lange auf,
allein ich schreibe, um mich zu vergnügen, und rechne nicht
darauf, daß diese Memoiren jemals gedruckt werden sollen.
Vielleicht opfere ich sie einst dem Vulkan; vielleicht gebe
ich sie meiner Tochter, — kurz, ich bin in diesem Stück
eine Pyrrhonistin *) Ich wiederhole es, ich schreibe nur zu
meinem Zeitvertreib und mache mir eine Freude daraus,
nichts von allem, was mir begegnet ist, nicht einmal meine
geheimsten Gedanken zu verschweigen/] Das läßt manche
Härte ihres Urteils verstehen. —- Seit der Thronbesteigung
Friedrieh's II. [1740] war ihre mißtrauische Sorge nicht
zur Ruhe gekommen, der ihr so wesensverwandte königliche
Bruder möchte, erfüllt von der Größe seiner Aufgabe und
seines Willens, ihr, der in körperlichem, häuslichem und
politischem Elend Verkümmernden die innere Anteilnahme
an seinem Leben vorenthalten, die seit der gemeinsamen
Kindheit das Glück des ihrigen geworden war.
Diese beständige Furcht mag mehr als die kleinzügige
Politik des Markgrafen und ihre eigene, trotz ihres gut
brandenburgischen Herzens etwas ostentativ betätigte Vorliebe
für Maria Theresia die Entfremdung schließlich
herbeigeführt haben, die noch gesteigert ward, als die in
ihrer Frauenehre so tief Gekränkte sich der in Preußen
begüterten Maitresse ihres haltlosen Gemahls dadurch zu
entledigen suchte, daß sie deren Verheiratung mit einem
österreichischen Grafen Burghaus gegen den ausdrücklichen
Willen des Königs durchsetzte. Den Bemühungen eines
jüngeren Bruders,** Prinzen August Wilhelm von Preußen,
gelang es im Jahre 1747, eine völlige Aussöhnung der
beiden Königskinder herbeizuführen, deren jahrelang zurückgestaute
Liebe sich nun mit elementarer Gewalt in vertraulichsten
Briefen ergießt und die fortan bis zum Tode
der Markgräfin in denkbar naher, beglückender Freundschaft
verbunden bleiben/«
Aus der ersten Zeit dieser Aussöhnung stammen die
köstlichen „ Hundebriefe *: Folichon, der Schoßhund
*) Pyrrhon aus Elis^ der Zeitgenosse des Aristoteles, war das
Haupt der älteren griechischen Skeptiker. — Eed.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1914/0575