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564 Psychische Studien. XLI. Jahrg. 10. Heft. (Oktober 1914.)
Er begreift nicht, daß der Exorzist auch, abgesehen von
seiner subjektiven Anstrengung, schon ex opere operato
wirkt, d. h. durch die in seiner Religionsgemeinschaft angesammelte
magische Kraft, die er durch Willenskonzentration
auf den Patienten lenkt. Es ist kein Unsinn,
anzunehmen, daß die überschüssigen Kraftäußerungen, die
in einer Religionsgemeinschaft in den Äther aufsteigen,
dort gewissermaßen ein Reservoir bilden, aus dem man
geistiges Wasser schöpfen kann. (Man sehe meinen Aufsatz
„Katholizismus und Okkultismus* in den „Neuen
Lotosblüten* 1913!) Aus diesem Wasser kann der zu
diesem Zwecke Beauftragte (in der katholischen Kirche also
der geweihte Priester) die ihm fehlenden Kräfte holen.
Man kann sie in den Ätherschwingungen sehen. Auch geweihte
Gegenstände, Amulette, Weihwasser, Edelsteine, die
dem Patienten die fehlende Kraft durch Einwirkung auf
den Ätherkörper geben können, Knochen von wirklichen
Heiligen sind gut. Ohne Kenntnis der Beziehung des vierfachet
. Ätherstoffes zum Ätherkörper des Menschen kann
man ja diese geheimnisvollen Einflüsse nicht verstehen. Wenn
der Dämon seinen Wohnsitz im Ätherkörper aufgeschlagen
hat, kann besserer, von anderswoher eingeführter Ätherstoff
ihm den Aufenthalt ungemütlich machen.*) Auch das
Rauchen kann gute Dienste tun. Daß die Indianer es
aufgebracht haben, hatte augenscheinlich darin seinen
Grund, daß sie viel unter Dämonen zu leiden hatten. Bei
den nach Amerika ziehenden meist rohen Soldaten wird es
ebenso gewesen sein, und die darauffolgende Periode der
Hexenprozesse war eine dämonische Zeit.**)
*) Natürlich tut der Glaube die Hauptsache. Aber deshalb
darf man die objektive Wirkung solcher Gegenstände nicht ableugnen
, die irgendwie einen magischen Einfluß haben können. Das
Wasser eines Sees oder Flusses steht in einer geheimnisvollen Beziehung
zu ,Engeln*, ebenso wie die Edelsteine — daher hat man
durch Wasser und Geist von jeher zu reinigen gesucht („Taufe*).
Auch der Ton tut viel. Er wirkt direkt magisch. Deshalb sind
auch Wallfahrtsstätten, wo dies alles zusammenkommt, von jeher
von Besessenen aufgesucht worden. Ich hörte einmal einen französischen
Geistlichen in Lourdes sagen man fühle sich in dieser
Atmosphäre sogleich gehoben. Dies ist Wirkung des Ortes (jede
Gegend hat ihre eigene geistige Aura), der Gebetsaura usw. Auch
wenn die Wunder dort nicht echt sein sollten, bleibt diese fromme
Aura — ebenso in Indien an den berühmten Wallfahrtsstätten, wo
man die Menschen mit verzückten Augen im Flusse oder heiligen
Teich baden sehen kann.
**) Auch der jetzt ausgebrochene Weltkrieg muß als eine solche
betrachtet werden. Wenn man daher auch nicht auf theistischem
Standpunkt steht, so kann man es verstehen und muß es billigen,
wenn Kaiser Wilhelm IL in seiner herrlichen Ansprache an das
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