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570 Psychische Studien. XLI. Jahrg. 10. Heft. (Oktober 1914.)
Kein Mensch geht mehr allein. Alle strömen herdenweise zu
diesem oder jenem Heiligen oder Poeten und meiden den
Gott, der in das Verborgene schaut. Sie, die im Verborgenen
nichts sehen können und lieber auf der Straße
blind sind: sie halten die Gesellschaft für klüger, als die
Seele und wissen nicht, daß eine Seele — ihre Seele —
weiser ist als älle Welt. Das Lob der Gesellschaft ist billig
zu haben, und die meisten Menschen sind mit diesem leichten
Verdienst zufrieden, aber die erste Folge des wirklichen
Verkehrs mit Gott ist, diese Verdienste abzutun. So ermahne
ich euch denn vor allem anderen, allein zu gehen,
alle guten Vorbilder zu verschmähen, selbst diejenigen, die
den Menschen noch so geheiligt erscheinen, una Gott ohne
Mittler, ohne Schleier zu verehren/*)
(Fortsetzung folgt)
M. Maeterlinck: Vom Tode.**)
Vom Kand. des höh. Lehramts fl. Hänig (Zwickau i. S.).
Was wird aus uns nach dem Tode ? Diese Frage hat
das Menschengeschlecht von altersher beschäftigt. Aber
so sehr uns auch die Rätsel der Ewigkeit umgeben, so
wenig ist man bisher imstande gewesen, auch nur einen
geringen Teil von ihnen mit Sicherheit zu lösen. Auch
der Okkultismus hat bisher nur einen kleinen Teil der
Fragen beantworten können, die er sich gestellt hat. Um
so erfreulicher ist es, daß sich von Jahr zu Jahr die Zahl
*j Essays von E. W. Emerson, Halle an der Saale, Verlag von
Otto Hendel.
**) Wir bringen obigen, nns vor Ausbruch des Weltkrieges
eingesandten Artikel zum Abdruck, obschon unsere frühere Meinung
über die Objektivität, Urteilsfähigkeit und Gerechtigkeitsliebe des
genialen Dichters durch seine neuerlichen leidenschaftlichen Ausfälle
gegen unser Vaterland inzwischen wesentlich getrübt wurde.
Wenn man auch seine Erregung über den durch die Kriegslage
der deutschen Heeresleitung aufgenötigen Einfall in Belgien begreiflich
finden mag, muß man doch mit nachfolgendem, durch die
deutsche Presse gegangenen Artikel feststellen, daß er im Ausbruch
seines belgischen Patriotismus entschieden zu weit gegangen ist.
Der Artikel lautete: fDer Wortlaut des Maeterlinck-Briefes. Man
hat in Deutschland -mit einiger Ve wunderung davon gehört, daß
sich der Dichter Maurice Maeterlinck in abfälliger Weise über
Deutschland geäußert habe. Der „Tägl. Korr/ ist in der Lage, den
Wortlaut des Briefes anzugeben. Maeterlinck schrieb die Zeilen
aus Frankreich: „Werter Freund! Ich weiß nicht, ob Dich dieser
Brief erreicht. Ich wäre gerne nach Belgien gekommen, um mich
der Militärbehörde zu stellen. Wenn ich auch 52 Jahre alt bin,
so bin ich doch zur Bürgerwehr annehmbar. Die Mobilmachung
hat mich überrascht. Ich sitze fest und weiß nicht, wann ich ab-
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