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Hämg: M. Maeterlinck: Vom Tode. 573
dafür vorgebracht werden, sind rein gefühlsmäßig und allzu
unbestimmt, da sie auf so unsicheren Erscheinungen wie
hypnotischen Träumen, Vorahnungen, Mediumismus und
Geistererscheinungen beruhen (37). Mehr Beachtung verdient
der Spiritismus, da er wenigstens auf zuverlässig
untersuchten und beglaubigten Tatsachen beruht. Seine
Phänomene zerfallen in direkte und indirekte Kundgebungen
d. h. solche, die ohne Zutun des Menschen auftreten
, und solche, die nur mit Hülfe der Medien möglich
sind. Nach der ersten Gruppe scheint festzustehen, daß
„eine geistige oder nervöse Form, ein Abbild, ein verspäteter
Reflex des Daseins, eine Weile fortzubestehen vermag
, sich vom Körper trennen, ihn überleben, in einem
Augenblick ungeheuere Räume durchmessen, sich den
Lebenden kundgeben und bisweilen in Verkehr mit ihnen
treten kann" (41). Aber das ist nur ein geringer Trost,
da diese Vorgänge nur im Augenblicke des Todes oder kurz
nachher beobachtet worden sind und auf eine nur sehr geringe
Geisteskraft ihrer Urheber schließen lassen. Wirklich
bedeutend wäre das nur, wenn solche Erscheinungen längere
Zeit nach dem Tode stattfänden.*) Vorläufig müssen wir
uns, sagt M., mit der Tatsache begnügen, daß an dem
Geister- und Gespensterspuk etwas Wahres ist. und daraus
die Lehre ziehen, daß ein solcher Glaube, auch wenn er
anfangs widersinnig erscheinen mag, stets sorgfältige Prüfung
verdient, ehe man darüber urteilt.
Ein ebenso trübes Bild gewähren auch die medialen
Kundgebungen, da auch nach diesen die angeblich Uberlebenden
nur Schatten sein müßten, die in ihrem ziellosen
Umherirren und nichtssagenden Geschwätz eher den trüben
Schatten zu vergleichen sind, die Odysseus in der kimme-
rischen Nacht beschworen hat. Ein charakteristisches Beispiel
hierfür bietet die angebliche Rückkehr von Myers,
der den Fortsetzern seines Werkes feierlich versprochen
hatte, im Unbekannten alle erdenkliche Anstrengungen zu
machen, um ihnen entscheidende Hülfe zu leisten. Einen
Monat nach seinem Tode kommt er tatsächlich (wenigstens
behauptet Nelly, der vertraute Geist des Mediums Thompson
, sie sähe ihn), aber wie sieht er aus? „ Getreu seinem
*) Anm Auch dafür lassen sich in der spiritistischen Literatur
unschwer Beispiele finden; so z. B. das Kapitel von Todesankündigungen
durch Verstorbene etc. Widersinnig ist übrigens der
Geisterglaube genau so wenig, wie der Unsterblichkeitsglaube zu
nennen, sondern allein die Denkweise solcher Menschen, die alles
von einem voreingenommenen Standpunkte beurteilen, ohne sich
mit dem Gegen stände genügend zu befassen, über den sie ein Urteil
abgeben.
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