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576 Psychische Studien. XLI. Jahrg. 10. Heft. (Oktober 1914.)
Auch der Reinkarnation widmet der geistreiche Verfasser
schließlich noch einige Kapitel, soweit man versucht
hat, sie nicht theoretisch, sondern durch Experimente zu
begründen. Ganz wertlos sind die vereinzelten Fälle von
Eückerinnerungen, von denen uns hier und da berichtet
wird; sie sind zu sporadisch und verwirrend, dazu nicht genügend
kontrolliert worden. Anders ist es mit den bekannten
Experimenten, die Oberst Ilochas mit seinen verschiedenen
Medien gemacht hat und die den Lesern der
.Psych. Stud.« scho/genügend bekanut sind. Bewußte Verstellung
ist hierbei jedenfalls auszuschalten, da die Leistungen
zu sefr über den Horizont der Mädchen hinausgehfn;
merkwürdig ist es übrigens auch, daß die Angaben so
dürftig sind, obwohl das Gegenteil sehr leicht gewesen
wäre. Aber auch hier sind die Erklärungen möglich, die
uns die Telepathie, Gedankenübertragung etc. an die Hand
geben. Vielleicht ist auch der Atavismus zur Erklärung
heranzuziehen (85). Es bleibt also nur der moralische
Trost, den der Seelenwanderungsglaube gewährt, aber dieser
wird doch durch eine bedenkliche Alternative wieder aufgewogen
, die in ihm begründet ist: entweder läutert mich Gott,
weil ich außer ihm bin und er nicht unendlich ist, oder er
ist unendlich und läutert mich, weil etwas Unlauteres in
ihm war, denn er läutert in mir ja nur einen Teil seiner
selbst (88). Alles das trägt noch viel zu sehr das Gepräge
unserer kleinen Erde, als daß es unbedingten Wert beanspruchen
könnte.*)
Wie sieht es also mit unserem Nachleben nach dem
Tode aus? Man ist bisher nicht imstande gewesen, auf
experimentellem Wege über das Wie dieses Fortlebens Auf-
vielleicht gar nicht haben, zumal wenn wir deu Entwieklungs-
gedanken auch für das Leben nach dem Tode annehmen. Vorläufig
gehört es zu den dringendsten Aufgaben des wissenschaftlichen
Okkultismus, an der Hand sicher beglaubigter Beispiele zu
untersuchen, unter welchen Umständen die telepathischen Vorgänge
beim Wachbewußtsein auftreten, und sodann zu fragen, ob eine
solche Vermittlung auch zwischen dem Unterbewußtsein zweier
Personen möglich ist.
*) Anm. Nach theosophischer Anschauung stellt übrigens das
Ausgenen und die Eückkehr vom und zum* Allbewußtsein keine
Läuterung dar, sondern ist nur die Folge des Bewegungstriebes im
Weltall. Das Eingehen in das Allselbstbewußtsein findet nur dann
statt, wenn jene andere Form des Bewußtseins ihren göttlichen Ursprung
völlig erkannt hat, wobei allerdings Voraussetzung ist, daß
es sich von den Schlacken, die sich ihm im Laufe seiner Entwicklung
angehängt haben, vollständig gereinigt hat. Jedenfalls ist
diese Auffassung des Weltgeschehens diejenige, die, um sich mit
einem Worte Maeterlinck^ auszudrücken, von allen uns bekannten
unserem Verstände am wenigsten zuwiderläuft.
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