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Kurze Notizen.
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Kurze Notizeu.
a) Treu bis in den Tod. Der jüngst verstorbene
geniale Dichter Mistral aus der Provence hatte einen
schwarzen Hund namens Toutourle, der sein bester Freund
und ständiger Begleiter war. Nach dem Tode seines Herrn
war der Hund nicht zu bewegen, irgendwelche Nahrung
zu sich zu nehmen; er wachte Tag und Nacht vor dem
Zimmer seines Herrn, wohl weil er hoffte, diesen bald
wieder zu sehen. Schließlich fand man das treue Tier tot
an der Schwelle des Zimmers von Mistral. — Und solch
seelenvolle, fein empfindende Geschöpfe werden dann von
herzlosen Vivisektoren einem sehr zweifelhaften Nutzen geopfert
und als Versuchsobjekte den entsetzlichsten, großenteils
lediglich der Befriedigung teuflischer Neugierde und
gewinnsüchtigen Ehrgeizes dienenden Martern preisgegeben!
Wie lange noch? Ist es denn da ein Wunder, wenn die
erbarmungslose, gerade auch in den oberen Schichten auffallend
zunehmende Gemütsverrohung und eine jeder edlen
Sitte hohnsprechende Gewissenlosigkeit schließlich in einem
längst prophezeiten Welibrand zum alles erschütternden Ausbruch
gekommen ist?
b) Gehirnwellen. Einer der geschätztesten eng-
lischen Naturforscher der Gegenwart, der Zoologe R a y
Lankester, hat sich in einem Vortrag mit einem ßätsel
beschäftigt, das dem Menschen schon viel zu schaffen gemacht
hat, obgleich es von der Wissenschaft immer wieder
in den Bereich des Aberglaubens verwiesen worden ist.
Es handelt sich um die Frage der Telepathie oder der Beeinflussung
eines Menschen durch den anderen über weite
Entferungen hinweg. Um einer derartigen Erscheinung ein
modern ausschauendes Mäntelchen umzuhängen, hat man
von Gehirn wellen gesprochen, also von einer Energieform,
die vom menschlichen Gehirn ausgehen soll, wie etwa die
elektrischen Wellen von einer Sendestation für drahtlose
Telegraphie. Lankester versichert, obgleich es nicht nötig
wäre, daß niemand einen Beweis für das Vorhandensein
solcher Gehirnwellen ^erbracht habe, noch anzugeben wisse,
wie sie entstehen und fortgepflanzt werden. Selbst wenn
man ihre Existenz voraussetzen könnte, würde die weitere
Frage zu beantworten sein, wie diese Wellen von einem
zweiten Gehirn aufgenommen werden. Daß das Menschengehirn
eine Vorrichtung nach Art des Detektors für elektrische
Wellen besäße, ist gleichfalls durchaus unbekannt.
Aber auch diesen unbekannten Apparat will Lankester zugestehen
, kann aber auch danach nicht einsehen, welche
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