http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1914/0622
Gr&vell: Besessenheit.
605
im sogenannten Hexenmale zeigen können, d. h. verhärtete
Stellen, die empfindungslos sind, so dass man eine Nadel hinein-
stecken kann. Man sollte bei Personen, die der Besessenheit verdächtig
sind, wie bei dem schwäbischen Massenmörder Wagne r l),
der jetzt in einer Irrenanstalt ist, versuchen herauszubringen, ob
sie solche harte Körperstellen besitzen, und wenn es auch nur wäre,
um zu konstatieren, dass man zurzeit des „Hexenhammers** nicht
so töricht gewesen ist, wie man gemeiniglich annimmt.
Eine Art von Besessenheit findet man schon bei der Schuljugend
. Es zeigt sich dies z. B. an mangelndem Ichgefühl. Das
Ich ist sehr geschwächt, meist natürlich durch Masturbation,
welche leicht Besessenheit nach sich zieht. Sie beruhtoft auf frühen,
auf natürlicheWeise schwer zu erklärenden Versuchungen, die ihren
Sitz im Astralkörper haben.2) Ohne äußere Verführung fangen
sinnliche Gelüste an wach zu werden, manchmal unnatürlicher Art,
wie z. B. Masochismus, der wahrscheinlich auf Grausamkeit im
früheren Leben zurückzuführen ist»
*) Als Beispiel einer offenbaren Besessenheit gebe ich den beifolgenden
Fall an, der im „Bund" vom 20. Oktober 1914 stand und
ein Pendant zum Fall Wagner ist. „Die Tat eines Wahnsinnigen.
Letzten Samstag, morgens 7 Uhr, erschlug in Gontensehwil (Aargau)
die 26 jährige geisteskranke Tochter Ida Sommerhaider ihre Mutter,
als diese kochte, mit einer Axt. Die Bewohner hörten einen kurzen
Schrei, dann war alles still. Man achtete deshalb nicht darauf.
Der Mord wurde erst gegen Mittag ruchbar, als man die fürchterlich
zugerichtete Leiche der Mutter entdeckte. Die Mörderin war
bald nach der unseligen Tat in den Sonntagskleidern geflohen. Sie
ist bis jetzt nicht entdeckt. Doch haben die Polizeihunde ihre
Spar im sogenannten „Käser11, einem Walde unterhalb Gontensehwil,
festgestellt Ida Sommerhaider litt wegen verschmähter Liebe an
böswilligem Verfolgungswahn, verbunden mit sexueller Hypochondrie
. Sie war einige Zeit deswegen in Königsfelden. Da es scheinbar
besser ging, so nahmen die Eltern sie wieder nach Hause, wo
sie sich in der Strickerei als tüchtige Nähterin auszeichnete. Schon
oft bedrohte sie in dunklen Stunden ihre Mutter. Diese, eine gute,
geachtete Frau, kehrte sich aber nicht daran."
2) Es gibt eine doppelte Onanie, eine rein körperliche und
eine geistige. Da letztere auf schlechtem Aether beruht, so kann
sie nur durch Einführung besseren Aethers geheilt werden. Spezielle
Atemübungen wären nötig, je nachdem der innere Sitz der
„materia peccans* verschieden ist. Wenn das Chakram am Ende der
Wirbelsäule geschwächt ist, geht das Kundulinifeuer nach unten,
und die Wirbelsäule krümmt sich. Hier könnte man vielleicht
durch eine gute Verordnung durch ein gesundes Mitglied des
anderen Geschlechts wirken, ähnlich wie es im zweiten Akt von
„Tristan und Isolde" dargestellt wird. Das Tanzen der Derwische
im Orient hat auch den Zweck, Od zu erzeugen, das auf Kranke
wirkt. So sah ich, wie einer auf einem kranken Knaben herumtrampelte
. [In einem Derwischkioster bei Konstantinopel sah auch
Unterzeichneter, wie sich Derwische auf den Unterleib der „Konfirmanden
" stellten und herumtrampelten ! Mai er.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1914/0622