Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
41. Jahrgang.1914
Seite: 607
(PDF, 179 MB)
Bibliographische Information
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Grävell: Besessenheit

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Verdächtig bei vielen Personen ist auch schon ein gewisser
eisiger, starrer, glasiger Blick. Bei manchen glaubt man im Gesichte
auch etwas geradezu Verdrehtes zu bemerken. Es ist so,
als ob jemand hinter ihnen stände und ihnen etwas einbliese. Ich
hatte einen Mitschüler im Gymnasium, dem der Direktor im Namen
der Konferenz in der Oberprima sagte, er möge „den falschen Zug
aus seinem Gesichte tun*'. Ich habe dann später bei einem raffiniert
verdorbenen jungen Betrüger denselben, geradezu teuflischen fal-*
sehen Zug um den Mund konstatieren können. Wer ihn einmal
gesehen hat, vergisst ihn nie. -

Menschen mit unausgebildetem Selbstgefühl leiden oft an
„moral insanity", weil sie die Beute schlechter Kräfte werden. Ich
wohnte einmal bei einer Frau, die einen Mann geheiratet hatte,
weil er durch sein Geld sie vom Bankerotte retten konnte. Aber
sie liebte ihn nicht und wandte sich von ihm ab, gab ihm immer
weniger zu essen und Hess ihn vor ihren Augen elend zugrunde
gehen. Sie sagte mir selbst, sie hoffe, dass er nach einigen Monaten
sterben würde. Diese Möiderin war der Typus des Menschen
, der an moralischem Wahnsinn leidet, alles höheren Gefühles
bar, die Augen ganz leer und nichtssagend, wie bei einem Tier. 3)

Mancher [wie z. B. eben Wagner!] geht auch
zugrunde, weil er durch zu hohe unverdauliche Lektüre
überspannt wird und das Gleichgewicht verliert. Ich
kenne einen Fall, wo ein einfacher Friseur von der Theosophie
hörte, aber weil er zu ungebildet und unklar war und einen kurzen
Verstand hatte, zu den törichtsten Dingen getrieben wurde. Er
ward völlig willenlos, phantastisch, sah überall Gespenster und
konnte nur dadurch vor dem Selbstmord bewahrt werden, dass
man ihm eine Stelle als Gärtner verschaffte. Wenn er z. B. jemand
rasieren sollte, hatte er stets das Verlangen, ihm den Hals abzuschneiden
: also Besessenheit!

„Ich brauche einen Arzt, einen Beichtvater und jemand der
Geister beschwören und Phantasmen bannen kann*', schrieb der
Dichter T a s s o an einen Freund.

*) Es ist kein Widerspruch, wenn man sagt, daß manchmal zu
viel, manchmal zu wenig Ichgefühl Zeichen schlechter Einflüsse
ist. Die Lehre vom Ich ist noch nicht genug ausgebildet. Aber
man weiß aus Erfahrung, daß Größenwahn so gut wie zu große
Demut (Kleinheitswahn) unnatürliche Gefühle erzeugen. Gefühle
aber pflegen leicht „kontrolliert* zu werden und haben daher die
Tendenz, sich zu vergrößern, bis ein „psychopathischer* Zustand eintritt
. Geisteskrankheit bricht dann leicht aus. Die unglückliche
Kaiserin Charlotte von Mexiko wäre wohl nicht geisteskrank geworden
, wenn sie nicht vorher einen so ungemessenen Ehrgeiz
gehabt hätte. Sie ist darum wesentlich am Tode ihres Mannes
schuld. Eine andere wäre im selben Falle eine geduldige Heilige
geworden.

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