Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
41. Jahrgang.1914
Seite: 613
(PDF, 179 MB)
Bibliographische Information
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Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie

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Kaindl: Über wahre und falsche Moral

613

Mord triefende Hände verbirget,

Da treten wir laut als Zeugen der Tat

Dem Erschlagenen auf und erweisen uns ihm

Vollständig als Bacher der Blutschuld/

Die Entrüstungsunfähigkeit und Gleichgiltigkeit dem Unrecht
und der Grausamkeit gegenüber deutet auf einen Mangel an
Rechts- und Mitgefühl und da das letztere die Grundlage der
wahren Moral bildet, so ist es begreiflich, daß wir so viele künstliche
Moralsysteme als Ersatz für die natürliche Moral besitzen,
und daß der intelligente Mensch, wofern er überhaupt Moral beansprucht
, sich in der Regel für eines der ersteren entscheidet.

Darum sagt auch Schopenhauer: „Die Begründung,
welche ich der Ethik gegeben habe, läßt mich zwar unter den
Schulphilosophen ohne Vorgänger, ja sie ist, in Beziehung auf
die Lehrmeinung dieser, paradox, indem Manche von ihnen z. B.
die Stoiker, Spinoza, Kant, das Mitleid geradezu verwerfen und
tadeln. Dagegen aber hat meine Begründung die Autorität des
größten Moralisten der ganzen neueren Zeit für sich: denn
dies ist, ohne Zweifel, J. J. Rousseau, der tiefe Kenner des
menschlichen Herzens*, der seine Weisheit nicht aus
Büchern, so ndei aus dem Leben schöpfte, und
seine Lehre nicht für das Katheder, sondern für die Menschheit
bestimmte, er, der Feind der Vorurteile, der Zögling der Natur,
welchem allein sie die Gabe verliehen hatte, moralisieren zu können
, ohne langweilig zu sein, weil er die Wahrheit traf und das
Herz rührte.

Von den Autoritäten abseiten den Schulen führe ich noch
an, daß die Chinesen fünf Kardinaltugenden (Tschang) annehmen
, unter welchen das Mitleid obenansteht. Die übrigen
vier sind: Gerechtigkeit, Höflichkeit, Weisheit und Aufrichtigkeit.
Dem entsprechend sehen wir auch den Hindu, auf den zum Andenken
verstorbener Fürsten errichteten Gedächtnistafeln, unter
den ihnen nachgerühmten Tugenden das Mitleid mit Menschen
und Tieren die erste Stelle einnehmen. In Athen hatte das Mitleid
einen Altar auf * dem Forum. Diesen Altar erwähnt auch
Lukianos im Timon. Ein von Stobäos uns aufbehaltener Ausspruch
des Phokion stellt das Mitleid als das Allerheiligste im
Menschen dar: „nec aram e fano, nec commiserationem e vita
humana tollendam esse.** In der Sapientia Indorum, welches die
griechische Übersetzung der Pantscha Tantra ist, heißt es: ,.prin-
ceps virtutum misericordia censetur**. Man sieht, daß
alle Zeiten und Länder sehr wohl die Quelle
der Moralität erkannt haben; nur Europa
nicht; woran allein der Factor Judaicus
Schuld ist, der hier 4 11 e s und Alles durchzieht
: da muß es d a n n s c h 1 e c h t e r d i n g s ein


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