Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
41. Jahrgang.1914
Seite: 614
(PDF, 179 MB)
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614 Psych. Stud. XLI. Jahrg. 11. u. 12. Heft. (Nov.-Dez 1914.)

Pflichgebot, ein Sittengesetz, ein Imperativ»
kurzum, eine Order und Kommando sein,
dem pariert wird: davongehen sienichtab,
und wollen nicht einsehen, daß dergleichen
immer nur den Egoismus zur Grundlage
hat." — („Grundlage der Moral", Reclam - Ausgabe, S. 627
bis 630).

Während die idealistischen Philosophen sich von der Wirklichkeit
entfernend einer Fata morgana von Moral nachjagten,
suchen die Naturalisten „lucus a non lucendo", sie gerade dort, wo
sie am wenigsten anzutreffen ist, und bilden sich ein, die Moral
in der Quelle der Unmoral, im Egoismus, entdeckt zu haben. —

„Wenn Mitleid", fragt Schopenhauer, „die Grundtriebfeder
aller echten, d. h. uneigennützigen Gerechtigkeit und
Menschenliebe ist, warum wird der Eine, der Andere aber nicht
dadurch bewogen? — Vermag vielleicht die Ethik, indem sie die
moralische Triebfeder aufdeckt, auch sie in Tätigkeit zu versetzen?
Kann sie den hartherzigen Menschen in einen mitleidigen und
dadurch in einen gerechten und menschenfreundlichen umschaf-
fen?" — Er glaubt dies verneinen zu müssen, indem er auf die
von ihm aufgeworfenen Fragen folgende Antwort gibt: „Gewiß
nicht: der Unterschied der Charaktere ist angeboren und unvertilgbar
. Dem Boshaften ist seine Bosheit angeboren wie der
Schlange ihre Giftzähne und Giftblase; und so wenig *ie sie
kann er es ändern." —

Bis zu einem gewissen Grade ist dies sicherlich der Fall,
wäre aber die Konstanz des angeborenen Charakters eine absolute,
so wäre eine fortschrittliche Entwicklung nicht wohl denkbar und
alle Reformationsbestrebungen müßten daran scheitern. Auch
ist eine Verschlechterung des angeborenen Charakters unter ungünstigen
Entwicklungsbedingungen eine zu oft beobachtete Tatsache
um bezweifelt werden zu können, und ist es nicht einzusehen
, warum unter günstigen äußeren Verhältnisben nicht eine
Verbesserung desselben sollte erfolgen können.

Ein Hauptgrund des Mißlingen» der Verbesserung des ange-
borenen Charakters hegt offenbar in der angewandten Methode,
welche auf die Tatsache nicht Rücksicht nimmt, daß der Mensch
eine Doppelnatur besitzt: eine innere, ideale, altruistische und
eine äußere, realistische, egoistische Natur, deren jede ihre beson-
deren Lebensbedürfnisse und Lebensbedingungen hat.

Diese beiden Naturen und ihr Widerstreit finden sich in
Goethes Faust treffend gekennzeichnet:

„Du bist dir nur des einen Triebs bewußt;
O lerne nie den andern kennen!
Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust,
Die eine will sich von der andern trennen;


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