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Quade: Psychik.
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keiten sozusagen anschaulich erfasst und danach die Apparate geschaffen
haben, die man im Auge der Wirbeltiere wie der Insekten,
im menschlischen Ohr, im Leuchtapparat der Tiefseefische, in den
Batterien von Zitterrochen, Zitteraal und Zitterwels, in jedem Nerv-
Muskelpräparat, in den Leitsysteroen für Flüssigkeiten und Gase
bei Pflanzen und Tieren, im Vogelflügel und Schwimmkörper be-
wundern muss und vergebens durch natürliche Zuchtwahl zu er-
klären versucht hat.
Will man alle diese Anschauungen und Vermögen den Zell-
und Individualseelen allein nicht zubilligen, so muß man, wie oben
angedeutet, wohl an ihren dauernden psychischen Zusammenhang
entweder mit den vielleicht differenzierten, nicht an Organismen,
jedoch an unseren Planeten gebundenen höheren psychischen Ein-
heiten oder der Weltseele selbst denken. Vielleicht wird der weitere
Ausbau der Psychik ein Material liefern, das eine einwandfreie Entscheidung
für eine dieser drei Möglichkeiten liefert.
Im Zusammenhang damit wird sich auch die Frage nach der
Prädestination entscheiden lassen. Wirken Zell- und Individualseelen
unabhängig von höheren Erden — oder einer Weltseele in
den Organismen, so werden diese soviel Autonomie haben, wie ihre
Seele; zwar müssen sie ziemlich fest gebunden an die einmal geschaffenen
und immer wieder vererbten Mechanismen ihres Daseins
Kreise vollenden. Aber mit der bewussten willkürlichen Beherrschung
eines Teils ihres Körpers gewinnen die höheren Tiere Teil
an der Steuerung der Maschine, die allerdings fast ohne ihr be-
wusstes Zutun gebaut ist und dann nicht in jedem Sinne läuft, den
sich der Lenker vielleicht wünscht.
Unterliegt diese Beherrschung der dauernden Oberleitung
durch übergeordnete, ausserhalb des Organismus waltende Seelenmächte
, so würde man dagegen nicht mehr oder nur in höchst beschränktem
Sinne von Freiheit des Handelns sprechen können. So-
\iel vom Woher? der Seele. Das Wohin? beantwortet sich damit
zu einem gewissen Teil. Am plausibelsten erscheint es, dass die
Individual- (und Zell-) Seele, ihren Sondercharakter verlierend,
allmählich wieder zur Elementarseele wird. Es könnte aber auch,
was der Vorstellung von der Unsterblichkeit entspräche, beim
Übergang in die Erden- oder Weltseele ein persönliches Gedächtnis
, ein Ichbewusstsein erhalten bleiben. Auch hierüber
werden psychische, ganz besonders spiritistische Studien hoffentlich
einmal die erwünschte Klarheit bringen. —
In gleicher Weise wie ihrem Gott haben die Religionen auch
ihrem Jenseits irdische, nur ins Extreme idealisierte Attribute gegeben
. Wie Du Prel (vgl. oben) aufs Nachdrücklichste hervorhebt
, ist das Jenseits vom Diesseits aber ganz besonders durch
eine Verschiedenheit der Anschauung unterschieden, was die Un-
statthaftigkeit der meisten Projektionen vom Diesseits aufs Jen-
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