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628 Psych. Stud. XLI. Jahrg. 11. u. 12. Heft. (Nov.-Dez. 1914.)
Wirkung der Blutwärme und des chemischen Stoffwechsels befinden
sich diese Lumineszenzbildchen in strahlender Tätigkeit
und bewirken nach dem Naturgesetz: „Das Stärkere verdrängt
das Schwächere", ein fortwährendes geistiges Arbeiten im Innern
des Gehirns, welches mit Hilfe der bereits früher erklärten Erschei-
nung der Phosphoreszenz (siehe Jahrg. 1906, Seite 240) dem
Menschen bewusst whd. Das Verschwinden von Vorstellungen
und Gedanken im Bewusstseinsfeld beruht jedenfalls auf einer
Aufhebung der vorherrschenden Strahlung durch eine neue, auftauchende
Strahlung des nachfolgenden Gedankenbildes, ähnlich
wie im Auge auf der Netzhaut mit Hilfe des Sthpurpurs auch ein
Bild dem andern weichen muss.-
Wir haben jedoch in unserem Gehirn noch eine andere Er-
scheinung zu beobachten, wenn wir uns eine Vorstellung von dem
Wesen des Willens machen wollen, und zwar meine ich damit die
Erscneinung der Hemmungen. Wie kommt es, dass wir plötzlich
mit einer Bewegung innehalten? Wir bleiben beim Gehen momentan
still stehen und kehren eventuell um, oder wir unterbrechen
uns beim Sprechen oder sonst einer körperlichen Tätigkeit
, oder es fällt uns ein, nicht mehr über ein gewisses Thema
nachzudenken udgl. mehr. Alle diese Erscheinungen, welche man
kurz als Hemmungen bezeichnet, haben ihren Ursprung gleich
den Gedankenstrahlungen im Gehirn und sind entweder als momentane
Reflexe zu betrachten, wie z. B. bei plötzlichem Schreck,
oder auch mit Hilfe der Denkarbeit als mit Überlegung ausgeübte
Hemmungen. Diese Hemmungen selbst in ihrem Wirken erklären
sich als Interferenzerscheinungen, indem die eine Strahlung, welche
den ausführenden Gedanken darstellt, durch die andere Strahlung,
der Hemmung in ihrer Wirkung aufgehoben wird, wie dies die
physikalische Erscheinung aller Strahlengattungen zeigt. —
Bei der Erziehung des Menschen spielt die Ausbildung der
Hemmungen eine grosse Rolle, denn ein Mensch, welcher keine
Erziehung besitzt, steht eben nicht unter der Gewalt der suggestiven
Hemmungen und gleicht in dieser Beziehung einem wilden
Tiere, welches ebenfalls keine Hemmungen kennt. Die eintretende
Hemmung hypnotisch suggerierter Personen bei gefährlichen
Befehlen, wie Ausübung von Verbrechen, erklärt sich infolge
der durch die Moral anerzogenen Hemmungen; bei verbrecherisch
veranlagten Personen (eventl. dürch Vererbung) werden
auch diese Hemmungen mehr oder weniger fehlen und daher
der Ausübung der Tat keine Hindernisse entgegen stehen, so dass
also das hypnotische Verbrechen gegebenenfalls sehr wohl möglich
ist.
Wenn man über die Ursachen der scheinbaren Willensfreiheit
nachsucht, wird man finden, dass jeder Mensch, welcher eine gute
Erziehung genossen hat und daher unter der suggestiven Gewalt
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