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646 Psych. Stud. XLI. Jahrg. 11. u. 12. Heft. (Nov.-Dez. 1914.)
stalt Vorderansicht. Beide Ohren und beide Augen, letztere wieder
durch Lücken in der Wolkenwand bezeichnet, waren deutlich zu
erkennen. Aus den Schultern wuchsen zwei wagrechte Armstummeln
heraus, die sich immer mehr verlängerten und so die
beiden Tiere auseinanderschoben. Hinter der Elbbrticke verdeckten
Häuser den weiteren Anblick.
Fräulein H. hatte sofort den Eindruck, daß es sich hier um
eine sinnbildliche Darstellung des gegenwärtigen Krieges handle.
Der Elefant schien ihr Deutschland, der Drache und der Bär unsere
Gegner in West und Ost zu sein; von der hellen Gestalt, die die
beiden Gegner trennte, vermutete sie, daß dies Italien bedeuten
sollte.1)
Je mehr sich Fräulein H. bei der Betrachtung des Bildes vorstellte
, daß der Elefant Deutschlands Schicksal darstelle, um so mehr
empfand sie schwere Besorgnis, wie dieser Kampf noch enden
werde, bis sie durch das Erscheinen der hellen Gestalt etwas
beruhigt wurde. Ein Gefühl merkwürdiger Beklommenheit und
Ängstlichkeit beherrschte sie während der ganzen Zeit, in der sie
das Bild sah. —
Ich stelle Ihnen anheim, vorstehenden Bericht in den „Psych.
Studien" zu veröffentlichen und bin mit freundlichem Gruß Ihr
Dr. Z."
Kurze Notizen.
Ii) EinTübingerDoktorFaustus. Man schreibt
uns aus wissenschaftlichen Kreisen: Nichts ist für den krassen
Aberglauben des Mittelalters bezeichnender, als daß er auch
in Männern der Wissenschaft, die man eigentlich für
aufgeklärter hätte halten sollen, zuweilen unverrückbar Wurzel
fassen konnte. Selbst Universitäten konnten sich von dieser allgemeinen
Erscheinung des Zeitgeistes hin und wieder nicht frei
machen, was durch ein neuerdings in den Archiven der Tübinger
Universität aufgefundenes, kulturhistorisch sehr interessantes
Aktenstück hübsch illustriert wird. Es ist dies ein
Senatsprotokoll der schwäbischen Alma mater, aus dem hervorgeht
, daß unter dem Datum des 11, Dezembers 1596 beim Senat
eine Anzeige eingegangen war, wonach der Tübinger Student
Leipziger des verbrecherischen Umgangs mit dem Teufel bezichtigt
*) Diese Deutung auf das neutrale Italien scheint uns nicht
ganz glücklich zu sein; weit eher ließe sich dabei an Holland, die
Türkei oder an Amerika denken, dessen friedliebender Präsident
Wilson bereits auf das Amt des trennenden Schiedsrichters wartet.
— Die auch sonst häufige Erscheinung tier- bezw. menschenähnlicher
Wolkengebiide scheint durch den die Lufträume erschütternden
Kanonendonner begünstigt zu werden. — Eed.
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