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24 Psychische Studien. XLII. Jahrgang. 1. Heft. {Januar 1915.)
„Zielt", sagt er, „auf die Ausgrabung des Innersten. — Der
Hauptzweck, der erreicht werden soll, ist die Entwickelung des
individuellen Geistes im strikten Gehorsam gegen seine eigenen,
allerinnersten Neigungen. Der Geist muß in Übereinstimmung
mit seinen allerinnersten
Neigungen gebracht werden. Der ideale Charakter
muß das Ziel eures Strebens bilden. — Blicke in dich, o Mensch,
und sieh das Vergängliche! Die beste Idee deines göttlichen
Vorfahren ist da, das Innerste, das Harmonische und Ewigdauernde
. — Es ist notwendig, mit seinem eigenen zentralen Bewußtsein
in Freundschaft zu stehen. — Urteilt selbst darüber, was
recht ist, handelt wie eure Seele in ihrer höchsten Stimmung einer
allgemeinen Gerechtigkeit es von euch verlangt zu handeln. Aus
dem Himmel heraus spricht eine Stimme zu jeder individuellen
Seele: „Entäußere dich alles Überflüssigen, was dich an deiner
Entwicklung hemmt und folge der Wahrheit. — Die eigenste,
tiefste und höchste Überzeugung ist jedes Menschen eigenste Wahrheit
." *' —
Davis war sich aber darüber durchaus nicht im Zweifel, daß
es nicht in der Macht des Einzelnen gelegen ist, das Innerste
der Menschennatur zur Entfaltung zu bringen, sondern daß dies
an der Ungunst der äußeren Entwicklungsbedingungen scheitert,
wie sie durch die Entwicklungsformen des Egoismus und Kollektivegoismus
geschaffen worden sind.
„Leider ist aber das Unglück der Welt" sagt er in seiner
Schrift: „der harmonische Mensch", „daß es den Erdenbewohnern
unter den obwaltenden Umständen nur in den allerseltensten
Fällen vergönnt ist, in vollkommener Übereinstimmung und Harmonie
mit jenen Anziehungen zu leben, die der Schöpfer einem
Jeden zu eigen gegeben hat. Und welches ist nun die natürliche
Folge? — Laßt uns sehen! — Stellen wir uns ein Individuum
vor, das durch unleidliche Zustände dazu getrieben wird, seiner
Natur untreu zu werden, insofern als das zu seinem leiblichen wie
geistigen Wohl unbedingt Wesentliche rücksichtslos übergangen
wird, und es statt dessen gezwungen ist, eine Aufgabe zu übernehmen
, die seinem innersten Wesen widerspricht, demzufolge also
seine höchsten Anziehungen in eiserne Fesseln geschlagen werden,
und somit das heilige Vermächtnis des Schöpfers und der Mutter
Natur auf die nichtswürdigste Weise geschändet wird, — ich sage,
stellen wir uns all' Dieses einmal in seiner ganzen bedeutungsvollen
Schwere klar vor Augen, und es kann uns dann unmöglich allzusehr
wundernehmen, daß dieses mißgerichtete Wesen, — dieses
Opfer menschlicher Unwissenheit gar bald ein leider nur zu ergiebiger
Quell ganzer Legionen schroffer Widersprüche und schriller
Dissonanzen wird. Diese nehmen nun in ihrer fortschreitenden.
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