http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1915/0033
Veigel: Die Wiederverkörperung. 29
Bei der zweiten Art der Beweisführung: „Bestätigung durch
das tägliche Leben", stehen wir zunächst vor einem scheinbar
undurchdringlichen Dunkel. Wie bestätigt sich die Lehre von
dei Wiederverkörperung im Zusammenleben der Menschen?
Scheinbar gar nicht. „Es ist noch keiner wiedergekommen, der
schon einmal da war!'* ist die regelmäßig wiederkehrende Redensart
oberflächlich denkender Menschen. Wenn man der Sache
näher kommen will, muß man schon die Frage etwas spezialisieren
und fragen: Was hat das menschliche Leben für einen
Sinn ohne eine Wiederholung des irdischen Daseins und durch
welche Beobachtungen kann man zur Überzeugung von der unbedingten
Notwendigkeit der Wiederverkörperung kommen? Betrachtet
man den Menschen lediglich als ein höher entwickeltes
Tier, das nur aus einem durch Lebenskraft in Bewegung gesetzten
und von Trieben und Leidenschaften erfüllten Organismus be-
steht, der sich in seine mineralischen Bestandteile auflöst, sobald
die genannten Kräfte nicht mehr ausreichen, die abgenützten Organe
in Funktion zu halten, so ist damit der Sinn des Lebens doch
keinesfalls geklärt, sondern dann beginnen erst die Fragen aufzutauchen
. Zunächst drängt sich die zwar ganz einfach scheinende
, aber doch schwer zu lösende und dabei
ganz berechtigte Frage auf: Wie kommt es,
daß man sagt: ich habe einen Körper, oder der Mensch hat
«neu gesunden Organismus? Niemals wird man sagen: „Der
Mensch ist ein Körper.'' Also ist der „Mensch" eigentlich etwas
anderes als sein Körper. Daß ein geistig-seelisches Wesen hinter
dem Menschen stehen muß, wird übrigens angesichts der weitgehenden
Forschungen auf geisteswissenschaftlichem Gebiete auch
wohl kaum noch von ernsthaft und tief denkenden Menschen bestritten
werden. Ohne die Annahme von der Existenz einer
geistig-seelischen Wesenheit hätte das Leben für den weitaus
größten Teil der Menschheit überhaupt keinen Zweck; der Massenselbstmord
wäre die äußerste Konsequenz eines solchen Aberglaubens
. Und ein Aberglaube ist diese Hypothese von dem Tier menschentum
, denn bewiesen ist diese Annahme keinesfalls. Ein
Arzt soll einmal den Ausspruch getan haben, er habe schon soundso
viele Leichen seziert und nie eine Spur von Geist oder Seele
finden können. Im ersten Augenblick klingt dies ja recht überzeugend
. Aber wie kommt der Arzt dazu, in dem toten Körper
nach dem geistig-seelischen Leben zu suchen, das doch gerade
beim Tode den physisch-mineralischen Körper verlassen hat?
Ferner darf man doch nicht erwarten, daß mit den gewöhnlichen
physischen Sehorganen etwas wahrzunehmen sei, was nicht physisch
ist und nur für denjenigen erkennbar wird, dessen geistige
Organe bis zu einer gewissen Stufe entwickelt sind.
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