http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1915/0042
38 Psychische Studien. XLII. Jahrgang. 1. Heft. (Januar 1915.)
selbst für billig erachten, daß man Leute, die
man ernähren muß, zu leichter, für sie selbst und ihre Ernährer
wohltätiger Arbeit anhält. Übrigens haben wir schon früher (S.
Dezemberheft 1913, Kurze Notiz b „Prof. Richet als Nobelpreisträger
") unserem Erstaunen und Bedauern darüber Ausdruck gegeben
, daß ein so hochgebildeter und human denkender Forscher
als grausamer Vivisektor keinen Sinn für die Gerechtigkeit zu
haben scheint, die auch das wehrlose Tier vom edlen Menschen zu
beanspruchen hat. Es heißt eben auch hier: Der Zweck heiligt
das Mittel! — Auch wir Friedensfreunde müssen bei dieser Gelegenheit
freilich offen bekennen, daß wir uns in unserer Hoffnung
getäuscht sehen, internationale Streitigkeiten könnten vor
dem Haager Schiedsgericht eine gerechte Entscheidung finden.
Schmückt ja doch Carnegies Friedenspalast das Ölbild des fluchbeladenen
Zaren, der, wenn er Gewissen und Charakter besäße
, lieber abgedankt hätte, als sich zum Unterschreiben des
Mobilmachungsbefehls zu Gunsten der serbischen Mörder
drängen zu lassen, der den von dem heuchlerischen England längst
aus Neid angestifteten Weltkrieg trotz aller Friedensbemühungen
des deutschen Kaisers vollends zum Ausbruch bringen mußte.
Was wäre jetzt aber aus Deutschland ohne seine ausgezeichnete
militärische Rüstung geworden? Erst eine hoffentlich nicht allzuferne
Zukunft kann den ersehnten Völkerfrieden bringen. Red.]
* *
*
In der Einlage übersende ich Ihnen als alter Abonnent
der „Psych. Studien*' einen angestrichenen Artikel des „Berliner
Tageblatts" vom 23. IX. 14. Es ist auch in anderen Zeitungen
auf diese Arbeit von Richet hingewiesen worden, und ich würde
es für zweckmäßig halten, wenn die Leser der „Psych. Studien**
ohne Ausnahme Herrn Richet auch von dieser Seite kennen
lernen würden. Daß der Mann ein solches Rechenexempel aus
innerer Überzeugung aufstellt, muß jeder denkende Mensch fast
für ausgeschlossen halten, sobald man in Richet ernstlich den
klaren Gelehrten annehmen will, als welcher er sich ja auch forschend
auf unserm Gebiet betätigt hat. Es muß also bei ihm
doch nur „der Wunsch der Vater des Gedankens** gewesen sein
und es würde wirklich heute, wo das Licht der Wahrheit doch
überall hinleuchten soll, nicht schaden, wenn wir auch kennen
lernen würden, welch nette innere Eigenschaf ten ein wirklich gebildeter
Mann dennoch entwickeln kann, trotzdem er sich mit so
ernsten Problemen befaßt, wie Richet es stets auf wissenschaftlichem
und auch okkultem Gebiet getan hat, bei welcher Betätigung
man doch annehmen sollte, daß alles kleinlich Menschliche,
wie es in dieser Leistung Richens offenbar zu Tage tritt, völlig
verschwunden sein müßte. Der angezogene Artikel lautet:
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1915/0042