http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1915/0065
Iiiig: Eine merkwürdige Spukgeschichte. 61
trat vor die Betten. Nach Ansicht sämtlicher Bewohner und Zuschauer
, mit denen ich gesprochen habe, hatte sie es darauf abgesehen
, die Anwesenden mit ihrem Blick zu zwingen. Wer ihr in
die Augen sah, wurde wie gelähmt und konnte nur noch ächzende
Laute von sich geben wie beim Alpdrücken. Der schon erwähnte
junge Mann erzählte mir, daß er einmal die Probe darauf versucht
habe, ob sie ihn auch „zwingen" könne, wenn sie ihm nicht
in die Augen sehen konnte. Er steckte sich daher, als sie ins Schlafzimmer
kam und vor sein Bett trat, unter die Decke, doch so,
daß seine Augen, unter der Decke hervorsehend, auf den unteren
Teil der Gestalt gerichtet waren. Da habe er sie dann lange betrachten
können bis hinunter zu den Füßen, ohne daß sie „eine
Macht über ihn bekommen habe." Da die Bewohner an Hexerei
glaubten und eine bestimmte Person im Verdacht hatten, kamen
sie einmal auf den Gedanken, die Gestalt durchzuprügeln. Sie
stellten daher Stöcke bereit, und als sie wieder kam, schlugen
sie von allen Seiten auf sie ein, konnten ihr aber, wie sie erzählen
, nichts anhaben, Denn die Gestalt wurde bald groß, bald
klein und entwischte ihnen immer. Auf meine Frage, an welcher
Stelle die Gestalt das Zimmer betreten habe und was m^n beim
Betreten des Zimmers beobachtet habe, wurde mir erwidert, die
Gestalt sei fast immer durch die Tür, zuweilen auch durch das
Kamin und den Ofen in das Zimmer gekommen. Sie habe
aber niemals die Türe oder die Wand durchdrungen, sondern
immer eine Öffnung benützt. * Oft habe man auf sie gewartet,
um genau beobachten zu können, wie sie in das Zimmer trete.
Man habe dann außen Poltern und Tritte gehört, und gleich darauf
sei durch die Spalte zwischen der Tür und Türschwelle ein weißgrauer
Nebel hereingequollen wie Zigarrenrauch. Der sei dann
an der Tür emporgestiegen und zur Gestalt geworden. Während
der Rauch in das Zimmer gekommen sei, habe die Türe gekracht
oder geknackt, geöffnet sei sie jedoch nie geworden. Einmal sei
man der Gestalt zuvorgekommen und habe gleich die Tür geöffnet,
als man draußen das Poltern hörte. Da sei dann die Gestalt gestanden
und habe sich sofort, wie fallender Rauch, zusammensinken
lassen. Dieser Rauch habe sich durch die Türspalte entfernt
, um sich draußen sofort wieder emporzurichten und Menschengestalt
anzunehmen. Man konnte das von innen beobachten,
weil die Türe auf halber Höhe eine Glasfüllung hatte. Diese
Detailbeobachtungen wurden mir von allen Familienmitgliedern
bestätigt. Wenn man die Gestalt, oder die graue Masse, aus der
sie sich bildete, berührte, wurde die Hand wie gelähmt. An
Stelle der weiblichen Gestalt oder neben dieser machten sich zuweilen
auch andere Erscheinungen bemerkbar , die nicht näher
definiert werden konnten. Manchmal fiel eine Masse von der
Decke herab wie eine Zipfelmütze. Der einzige Zweck oder
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1915/0065