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62 Psychische Studien. XLII. Jahrg. 2. Heft. (Februar 1915.
die Folge des Spuks schien die Erzeugung des Alpdrückens zu
sein, und sie hatte es dabei vornehmlich auf die Schlafenden abgesehen
. Dabei ließ sie sich, nach Ansicht der Beobachter,
auch täuschen, sofern sie auch auf solche Personen losging, die
sich bloß schlafend stellten. Dieser Versuch wurde mehrmals
gemacht. Einmal hatte sich der schon öfters erwähnte junge
Mann schlafend gestellt, während die übrigen Anwesenden genau
aufpaßten auf das, was sich ereignete. Sie sahen dabei wieder
die undefinierbare Masse, wie wenn sie durch das Fenster hereingekommen
wäre, an der Zimmerdecke hinschweben. Uber dem
Bett der Frau des Hausherrn ließ sie sich herabsinken und lag
dann eine Weile auf der Bettdecke; sie war wie formlos. Dann
erhob sie sich wieder und schwebte auf das Fußende am Bett
des jungen Mannes, der sich schlafend gestellt hatte. Dort sah
man sie dann gegen die Brust des scheinbar Schlafenden hüpfen
und hörte bei der Aufwärtsbewegung Laute, wie die Flügelschläge
eines Vogels. Als die Brusthöhe erreicht war, fing der junge
Mann an zu ächzen und zu stöhnen: es lag ein Alp auf ihm.
1 Nachdem die Erscheinungen diesen Grad erreicht hatten, beschlossen
die Bewohner, die Nächte bei Verwandten zuzubringen.
Das geschah mehrere Wochen hindurch, ohne daß sich dort
irgend etwas Auffälliges ereignet hätte. Nachdem sie wieder in
die Wohnung eingezogen waren, erhielt ich Kenntnis von den
Vorgängen und setzte mich sofort mit den Leuten in Verbindung.
Ich konnte mir aber nur noch eine ausführliche Darlegung von
dem geben lassen, was sie erlebt hatten; eine eigene Beobachtung
konnte ich nicht mehr machen, weil sich der Spuk auf ein Minimum
reduziert hatte. Ein Vertrauensmann, den ich einmal in
den Abendstunden in das Haus schickte, um von der Familie
eine Auskunft zu holen, fand den Korridor finster und deren
Wohnung verschlossen. Er wurde dabei von der einen Stock
tiefer wohnenden Eigentümerin des Hauses angetroffen, welche
ihm mit einem Licht nach oben leuchtete. Durch wiederholtes
Läuten wurde festgestellt, daß niemand zu Hause war. Die
Frau lud dann den Mann ein, in ihrer .Wohnung auf die Rück-
kehr der Mietsleute zu warten, worauf dieser einging. Nach etwa
10 Minuten hörte man oben Tritte und Lärm, wie wenn Tische
und Stühle hin- und hergerückt würden. huder Annahme, daß
die Leute jetzt zurückgekehrt seien, begaben sich beide wiederum
nach oben. Aber die Wohnung war auch jetzt noch finster und
verschlossen; erst kurze Zeit nachher kehrten die Bewohner zurück
. Für die Richtigkeit dieser Wahrnehmung meines Vertrauensmannes
möchte ich jede Garantie übernehmen. Man wird fragen,
was denn die Hauseigentümerin zu der Sache gesagt habe? Diese
hatte allen Grund, die Vorgänge zu bestreiten, weil sie dadurch
Schwierigkeiten beim Vermieten der Wohnung hatte.
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