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70J Psychische Studien. XL1I. Jahrg. 2. Heft. (Februar 1915)
Es ist Zeit, wo, wie ein neuerer Schriftsteller gesagt hat,
wir uns, sogar durch die blutige Tragödie dieses Krieges hin-
durch, vergegenwärtigen, daß der plumpe Materialismus mit seiner
Vergötterung der rohen Kraft, seinem Vertrauen auf rüde Gewalt
, wovon unsere furchtbaren Rüstungen nur ein Symptom
sind, über kurz oder lang zu einer Weltkatastrophe führen
mußte.
Wollen wir hoffen, daß wir daraus Belehrung schöpfen und
erkennen werden, daß Krieg Hölle, und Militarismus Massenmord
ist. Europa ist gegenwärtig damit beschäftigt den Heiland
auf's neue zu kreuzigen, mit kaltem Blute und ohne Reue. Doch
wir besinnen uns, daß er am dritten Tage wieder auferstand.
Wollen auch wir uns vorbereiten, unsere geistige Auferstehung
zu feiern.
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Nachwort des Übersetzers. In dieser Betrachtung des berühmten
englischen Gelehrten wird an erster Stelle auch der
Massensuggestion gedacht. Meines Erachtens macht sich der
Einfluß dieser nicht zu unterschätzenden psychischen Macht in
diesem Aufsatze selbst bemerkbar, und zwar an jenen Stellen, wo
wir das sonst unbefangene, objektive, durchaus gesunde Urteil
dieses Gelehrten dem Anstürme der hochgehenden Wogen eines
künstlich aufgewühlten Nationalismus unterliegen sehen.
Bis zu welchem Grade eine geistige Massenkonzentration
auf ein und denselben Gegenstand die Urteilskraft des Einzelnen
zu beeinträchtigen vermag, läßt sich aus einer Äußerung ersehen,
die einem in den Tagesblättern kursierenden Berichte zufolge, der
berühmte Dichterphilosoph Maurice Maeterlinck, gemacht
haben soll und welcher in unserer Linzer „Tagespost'* in folgender
Form erschien:
Die Frechheiten Maeterlinck^.
Wie aus London berichtet wird, richtet Maeterlinck neue
Beschimpfungen gegen Deutschland in einem Artikel, den er in
der „Daily Mail*' veröffentlicht. Maeterlinck schreibt: ,.Ich weiß
wohl, daß man nach unserem endgültigen Sieg, wenn der Feind zerschmettert
sein wird—und er wird es sein [abwarten! Red.] — versuchen
wird, an unser Mitleid zu appellieren. Man wird uns vormachen
wollen, daß deutsche Volk sei lediglich das Opfer seines Monarchen
und der Adelskaste, und mit letzterer dürfe man nicht
Haß Verblendeter als „Kriegerkaste" bezeichnen, der das schöne
herzliche Verhältnis der Offiziere zu ihren Mannschaften überhaupt
nicht kennt, während die Engländer gegenüber den armen, durch
Lügen irregeführten Indiern sogar die Prügelstrafe eingeführt
haben und die Russen ihre vertierten Horden mit der Knute in die
Schlacht peitschen. Das deutsche Heer ist eben, im Gegensatz zum
englischen Söldnerheer, ein echtes Volksheer. — Eea.
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