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90 Psychische Studien. XLU. Jahrg. 2. Heft. (Februar 1915.)
Völker und Reiche handelt. Wie lange wird es wohl noch währen,
bis das Volksgewissen in den feindlichen Ländern soweit erwacht
ist, daß die Schuldigen, die ihr eigenes Vaterland mit frivolem
Ehrgeiz zu Grunde gerichtet haben, durch Volksjustiz zur Rechenschaft
für ihre Verbrechen gezogen werden?
C) „Frankreichs letzter Tros t**. Im „Figaro**
beschäftigte sich jüngst wieder (vgl. Januarheft, S. 37 ff.) Prof.
* Charles R i c h e t als Politiker, laut „Magdeburger Zeitung**
(1. Ausgabe., Nr. 43, Morgenblatt vom 17. Januar er.) mit der
deutschen Hungersnot, die, wenn IN. B.!] es der englischen Flotte
gelinge, die deutschen und österreichischen Küsten erfolgreich zu
blockieren, nach seiner jetzigen Berechnung „getrost** auf den 15.
Mai als Termin für die Erschöpfung der vorhandenen Weizen-,
Roggen-* und Hafermengen angesetzt werden könne. Alle in
Deutschland getroffenen Vorsichtsmaßregeln seien nicht ausreichend
und können niemand über die wahre Sachlage hinwegtäuschen
. Der Augenblick sei nahe, wo die „Feinde** vor ihren
leeren Speichern stehen würden. Dann werden sie in die Notwen-
digkeit versetzt sein, den ihnen diktierten Frieden zu den von den
Verbündeten gesetzten Bedingungen anzunehmen. „Übereilen wir
nichts! Das von mir gezeigte Resultat muß mit mathematischer
Gewißheit eintreten. Die Blokade muß nur mit unerbitterlicher
Strenge durchgeführt werden. Die Hungersnot tritt bei unseren
Feinden erst im Mai ein. Seien wir dessen eingedenk und vertrauen
wir darauf, daß der Erfolg unserer Bemühungen nicht ausbleiben
kann.** Eben in diesem Sinne hielt der große „Friedensfreund
** kürzlich auch Vorträge in verschiedenen italienischen
Städten, wobei er jedoch in Turin unangenehme Erfahrungen gemacht
zu haben scheint, indem sein Versuch, Italien zur Unterstützung
seiner physiologisch begründeten Aushungerungspolitik
und damit zum Neutralitätsbruch zu verleiten, in der dortigen
Volksversammlung solche Entrüstung erregte, daß man ihm ziemlich
unsanft die Türe gewiesen haben soll. Welchen Wert, so
fragen wir uns, hat es nun, dicke Bücher über den Weltfrieden zu
schreiben, wenn man im gegebenen Fall den Weltkrieg fördert und
wenn die Handlungen in so grellem Widerspruch zu den schönen
Worten stehen?
d) Tragische Geschichte eines treuen
Hundes. Simon K i r i t s , Apotheker in Beodra, schreibt folgenden
Brief: „Beodra, 16. Dezember 1914. Als die Husaren
aus Nagykikinda in den Krieg zogen, war darunter auch der den
Heldentod gestorbene Leutnant, Baron Eugen B a n f f y. In Ki~
kinda blieb sein auf den Namen „Dandy** hörender schottischer
Schäferhund zurück. Der Hund kam anfangs November als Geschenk
zu mir; bald befreundete er sich mit meinen Hausbewohnern
, alle taten wir ihm schön — mit einem Wort: es ging ihm
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