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Literaturbericht. 95
wart und deren Wertung zuzufügen, die uns zur Zeit mehr angehen
und tiefer erregen. als selbst das Größeste der Vergangenheit . . .
Allen denen, welcnen der Krieg Wunden geschlagen hat, Wunden
des Leibes, mehr noch des Gemütes — und wem würden sie erlassen
worden sein? — spricht der „Getreue" sein Mitgefühl aus.
Das stolze Bewußtsein, für das Vaterland und den Neubau der Zukunft
unsere Opfer gebracht zu haben, gewähre uns Trost; und der
schreiende Schmerz des Augenblickes mildere sich mit der Zeit zu
dem ruhigeren Gefühle ab, das unsere tiefe deutsche Sprache mit
dem Worte Wehmut bezeichnet. Nicht vergessen der teuren Toten,
aber auch nicht vergessen der Pflichten, die wir dem Leben schulden
, und Not und Weh stillen, wo immer wir können, des seien
wir alle eingedenk! Heil unserem Vaterlande, Heil allen guten
Deutschen." — Das mit Bildern hübsch ausgestattete Büchlein
eignet sich vorzüglich als Weihnachts- und Neujahrs-Gabe für
Vereine au ihre Mitglieder. Fritz Freimar.
Das Traumkind. Von Fiorence Huntley. Autorisierte Ueber-
setzung von Wilh. Werntgen. Leipzig, Max Altmann. 1914
205 S. Preis geh. 2.20 M., geb. 3 M.
„Allen denen, die nach Wahrheit suchen gewidmet ist dieser
schöne Roman mit dem Motto: „Die Liebe is des Gesetzes Erfüllung
" (Röm. 13, 10) im Sinne einer „Philosophie de Liebe", die
keinen Raum für Zügellosigkeit hat, vielmehr zu der Erkenntnis
gelangt: „Keine Liebe ist frei", bis sie> frühere Fehler gesühnt und
alles erduldet hat, was zie aus Unwissenheit anderen angetan hat
mag diese Strafe sich in einem oder in tausend Leben vollziehen."
Der Leser erhält den tiefen Eindruck, daß es sich um eine wirklich
ins okkulte Gebiet führende erlebte Geschichte mit tragischem
Ausgang handelt. Dr. Doran aus Chicago findet bei einem Besuch
seines Studienfreundes Dr. Fred Haynes, Oberarzt in einer mit
allem Komfort der Neuzeit ausgestatteten Privatklinik für Geistes-,
Nerven- und Gemütskranke (mit geschultem Pflegepersonal, aber
ohne Zwangsjacken und Eisenstangen), in einem reizenden Einzelzimmer
der Frauenabteilung eine bildschöne, überaus geistvolle Patientin
, Mrs. Dian Varien mit Namen, die niemand, auch kein Arzt,
für irrsinnig gehalten hätte, wenn nicht ihr Gatte, Frank Varien,
ein vielbeschäftigter Rechtsanwalt in Philadelphia und Erbe einer
Million, ihren eigentümlichen Traumzustand mitgeteilt hätte.
Durch die Unachtsamkeit einer Kinderwärterin war nach 1 ^ jähriger
, sehr glücklicher Ehe das von der Mutter abgöttisch geliebte
Kind Stella in den Besitz eines Streicholzes gelangt und in einem
unbewachten Augenblick jämmerlich verbrannt. Seit jener Stunde
war es mit dem Frohsinn der Frau vorbei und ihr Wesen gänzlich
verändert. Etwa 6 Monate nach dieser Kätastrophe begann dann
der sich jede Nacht wiederholende Traum, daß sie das Kind zu
sehen, in ihren Armen zu halten und seine Entwickelung im Jenseits
zu verfolgen fest überzeugt war, so daß sie von da an volle
16 Jahre in einer anderen Welt lebte und sich dem praktischen
Leben, wie auch ihren ehelichen Pflichten völlig entzog. Infolge
der Bekanntschaft mit einem englischen Theosopnen namens Allen
Manderson, den sie in einem Hotel in Venedig kennen lernte, bekam
sie dann Bulwer's Meisterroman „Zanoni" in die Hand und
führte hierauf mit dessen Helden, als ihrem unbekannten Meister
und Lehrer, in welchem sie bald den ihr bestimmten Duo zu erkennen
glaubte, 15 Jahre lang ein geistiges Doppelleben, das ihren
bedauernswerten Gatten nahezu zur Verzweiflung brachte und mit
ihrem langsamen Hinscheiden endete. Vorher hatte sie letzteren
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