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Freudeoberg: Der Fall Costy und das Buch Dr. Staudeumaier's. 107
Sodann wurde ich an das Staudenmaier'sche Werk1) erinnert
, auf welches mich, alsbald nach meiner Ankunft in Brüssel,
mein Freund, Herr Albert H o f m a n n , aufmerksam machte.
Gern hätte ich dasselbe einer sofortigen Besprechung in den „Psychischen
Studien** unterworfen, wenn ich nicht gefürchtet hätte,
daß dies während meiner langen Abwesenheit von Europa bereits
geschehen und von mir bis jetzt übersehen worden wäre. Hierüber
aber hat mich die dankenswerte Notiz des Herrn Dr. G r ä -
v e 11 im Aprilheft 1914, S. 231 beruhigt, die im Grunde genommen
, indem sie kurz, aber prägnant, den Inhalt des Werkes
wiedergibt, ein weiteres Eingehen auf dasselbe verüberflüssigt.
Und doch ist dasselbe für alle Leser der „Psych. Studien** so interessant
, zugleich für alles praktische Arbeiten so überaus wichtig,
daß es vielleicht doch nicht unnütz erscheint, der Besprechung desselben
noch einigen Raum zu gewähren.
In der Vorrede betont der Verfasser, daß seiner doppellen
Vorbildung (theologisch und naturwissenschaftlich) auch das
Wesen und der Zweck seiner Schrift entspreche. Er hofft mit
derselben einerseits Theologen, Spiritisten, Okkultisten, Theosophen
usw. zu interessieren, anderseits aber auch Naturwissenschaftler,
Experimentalpsychologen, Mediziner (speziell Physiologen und
Nervenärzte).
Der Verfasser steht auf einem gänzlich vorurteilslosen Standpunkt
. Obwohl von Hause aus nicht Spiritist und auch auf Grund
seiner Erfahrungen nicht zur* spiritistischen Anschauung gelangt,
begann er doch seine ersten Versuche im Jahre 1901, damals 36
Jahre alt, in spiritistischer Weise, indem er sich rasch zu einem
Schreibmedium entwickelte. Er hatte dabei, wie er sagt, „unbedingt
den Eindruck, als ob ein ihm völlig fremdes Wesen dabei ,
im Spiele sei." Er beobachtete jedoch alsbald ein inneres V o r -
herwissen dessen, was geschrieben wurde, woraus sich mit
der Zeit ein „inneres" oder auch nahe am Ohre befindliches Vor-
herhören herausbildete. So wurde er ein „hörendes Medium."
Doch die innere Stimme meldete sich schließlich zu oft und ohne
genügenden Grund, auch gegen seinen Willen; sie wurde vielfach
böswillig, raffiniert, spöttisch, zänkisch, ärgerlich usw. Besonders
verdrossen den Verfasser die beständigen Lügen der „Geister.**
Ein ihm bekannter Spiritist gab ihm den Rat, sich nur an e i n e n
Geist zu halten, und so wählte er dann die sich ihm zuerst kundgegebene
Intelligenz: „Julie Norne**. Doch half auch das nichts. In
jedes Gespräch mischte sich alsbald wieder der Chorus der Spottgeister
ein.
*) „Die Magie als experimentelle Naturwissenschaft.* Von
Dr. Ludwig Staudenmaier, kgl. ord. Hochschulprofessor der Experi-
mentalchemie in Freising bei München. Leipzig, Akad. Verlagsgesellschaft
, 1912.
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