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Kaindl: Wiederverkörperung
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seur als zu ernst und tragisch nahm, selbst dafür verantwortlich zu
machen.
Es ist wohl selbstverständlich, daß zu Furcht und Leichtgläubigkeit
neigende Gemüter durch eine Lehre, welche die Existenz
von Larven und Dämonen, von Elementar-, Polter-, Fopp- und
Plagegeistern, von Kobolden und Vampyren, von Mahren, In-
kuben und Sukkuben vertritt und deren verderblichen Einfluß
auf die Menschheit behauptet, in so heftige und nachhaltige Aufregung
versetzt werden können, daß sie zuletzt in Verfolgungswahn
verfallen.
Wirkt ein solcher Glaube schon durch die Furcht, die er
erzeugt, lähmend auf die geistige Entwickelung, so beeinträchtigt
er noch in erhöhtem Maße die moralische, indem er die Menschen
inbezug auf die Quellen der Unmoral völlig irreleitet.
Eine weitere Schwierigkeit, die sich reiner Geistesforschung
entgegenstellt, liegt in dem Umstände, daß mit der Erhöhung der
Empfänglichkeit für äußere Eindecke sJeichzeitig eine solche für
suggestive Einflüsse Hand in Hand geht, welchen letzteren sich
weder der Sensitive, noch der Somnambule, noch der Ekstatiker
zu entziehen vermag.
Diese Einflüsse lassen sich denn auch durch die ganze Phänomenologie
des Somnabulismus hindurch verfolgen, und sind es
nicht nur solche des eigenen sinnlichen Bewußtseins, welche die
reine intuitive Erkenntnis des, Ekstatikers trüben, sondern auch
solche, welche ihm aus seiner Umgebung in Form von Gedanken-
wellen zuströmen.
Einem orthodoxen Operator wird sein Subjekt gleichsam zu
einer Felsenwand, die ihm den Born intuitiver Wahrheit verschließt
und ihm statt dessen seine eigenen religiösen Vorurteile
und festen Lehrmeinungen, die er in sie hineinrief (in sie hinein-
suggerierte) als Echo zurückgibt; und ebensowenig kann sich auch
dem Idiosomnambulen, der, mit positiven Ideen und einem fertigen
Glaubenssystem ausgerüstet, das Orakel seiner Seele befragt, der
innere Quell der Intuition erschließen.
Der Geistesforscher, wofern er vermöge einer durch Schulung
erlangten höheren Wahrnehmungsfähigkeit das Gebiet des
Übersinnlichen wirklich betritt, erwirbt dadurch nolens volens eine
erhöhte Empfänglichkeit für Eingebungen und Eindrücke suggestiver
Art; bleibt er hingegen von Suggestibilität tatsächlich frei,
so ist es positiv gewiß, daß seine höheren Wahrnehmungsfähigkeiten
nicht in Wirklichkeit, sondern nur in der Einbildung vorhanden
sind: in beiden Fällen aber sind seine Offenbarungen
nicht höher einzuschätzen, als die eines gewöhnlichen Somnambulen
oder Sinnenmenschen. In Anbetracht dessen sieht sich
also die psychische Forschung unparteiischer Weise veranlaßt,
inbezug auf das Problem der Wiederverkörperung den Aussprüchen
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