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Literaturbericht.
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haber eines bedeutenden Handelsgeschäfts, ein schlichter, ernster
Mann von 40 Jahren, sich religiösen Grübeleien hingab und in
die Einsamkeit zurückzog. Eines Tages aber kehrte dieser Mann
— Mohammed — in höchster Verstörung zu seiner Frau Chadid-
scha zurück und erzählte ihr, er habe eine Erscheinung gehabt.
Em Engel sei vom Horizonte auf ihn zugekommen und habe ihn
aufgefordert, eine geheimnisvolle Schrift zu lesen; nach wiederholtem
Sträuben habe er, von dem Engel bezwungen, die Worte
gelesen:
Lies im Namen deines Herrn, der erschaffen hat,
Erschaffen hat den Menschen aus einem Blutklümpchen I
Lies ! Dein Herr ist der gnädigste,
Der die Menschen durch das Schreibrohr lehrte,
Lehrte, was sie wußten.
Nach* den uns überkommenen Berichten dauerte es geraume Zeit,
bis Mohammed sich über seine Gesichte und Stimmen beruhigte.
Er hielt sich anfangs selbst für besessen, und aus manchen der
ältesten Offenbarungssätze klingt seine Unsicherheit, sein Bemühen,
sich in seine neue Rolle zu finden, sich selbst Mut zu seiner Aufgabe
zu machen. Als Probe aus dem Koran will ich die folgenden
»Stellen hersetzen: Sure. X, 50. „Sprich: Ich habe für mich selbst
weder Schaden noch Nutzen in der Hand, außer was Allah will.
Jedes Volk hat seinen Termin; wenn sein Termin gekommen ist,
so werden sie um keine Siunde säumen, noch zuvorkommen. Sure.
III, 81: „Was dich Gutes infft, das ist von Allah; und was dich
schlechtes trifft, das ist von dir selbst." Das kann man auch von
der heutigen Zeit und den jetzigen Völkern wieder sagen.
Dr. urävell.
Deutschlands europäische Sendung von Friedrich Lienhard. Verlag
von Greiner & Pfeiffer, Stuttgart Oktav, 30 S. Preis brosch.
50 Pf.
Erhebend und vertiefend möge dieser Heroldsruf für Deutschland
wirken und eine Verinnerliehung aller herbeiführen, wie L. es
herbeisehnt. Eine seelische Höherführung der Völker ist des
Deutschtums Zukunftsaufgabe, daß sie die Liebe zum Ewigen in
den Dingen lernen. Prophetisch sind L/s Schlußworte: „Ich erwarte
in Deutschland das Wiedererwachen der spirituellen oder
metaphysischen Welt. Die Erde wartet wieder auf einen Feiertag.
Die Donner des Krieges sind das Rasseln der Pforten, die ihn auftun
. Die Sendung eines Christus ist noch lange nicht erfüllt. Es
ist zu erwarten, daß die in ihm wirkende kosmische Macht der gestaltenden
Liebe immer* wieder wirksam wird, wenn die Dämonen
ihr Werk getan haben. Jetzt sind die Geister der Kraft und des
Hasses an der Reihe; nachher treten die Genien der Güte hervor,
die bereits zwischen den Schlachten ihre stille Arbeit verrichten.
Durch die Menschheit geht jetzt ein dröhnendes „Wir", ein Gesang
der Massen; nachher wird man nicht in egoistischem, sondern in
ewigem Sinne wieder sein unvergänglich „Ith" erleben als etwas
unendlich Seliges und Kostbares. Da* höhere Ich ist im Heiligtum
des Menschen das Innerste. So ist Deutschland das innerste Land,
wo der Mensch zum Bewußtsein seines ganzen Wesens gelangen
kann. Man wagt jetzt wieder, den Namen Gott auszusprechen und
etwas dabei zu empfinden. Man weiß wieder, unter unseres Kaisers
Vorantritt, was die Gedankenwucht des Gebetes heißt; man weiß,
daß hier eine Macht des liebenden Herzens am Werk ist, fürbittende
Gedanken, die wie ein Opfer zum Meister aller Schicksale
emporrauchen: „Bewahre mein Liebstes! Und muß geschieden
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