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Freudenberg: Streiflichter auf japanischen Kultus. 169
Japaner ist es ein leichtes, beim Eintritt ins Haus seine Stöckelschuhe
abzustreifen, der Europäer aber hat mit seinem Schuhwerk,
wenn er einen Tempel, ein öffentliches oder privates Haus, ja selbst
nur einen Laden betritt, gewöhnlich recht große Umstände und
Unbequemlichkeit. Ich schalte hier gleich ein, daß der japanische
Schuh aus einem Brettchen besteht, auf welches im vordem und
hinteren Abschnitt je eine Querleiste aufgenagelt ist. Bei schönem
Wetter ist diese weniger hoch, bei Regenwetter aber von reichlicher
Stelzenhöhe. Festgehalten wird der Fuß auf diesem Brettchen
durch zwei schrägverlaufende Stränge, die man zwischen große
und zweite Zehe klemmt. Der kurze japanische Strumpf, „Tabi"
genannt, endet deshalb auch nicht stumpf, wie der europäische,
sondern er hat für die große Zehe eine besondere Ausbausdiung, wie
für den Daumen unserer Fausthandschuhe. Die gewöhnlichen
Leute aber finden, daß es auch ohne Strümpfe geht, und sie treten
mit bloßen Füßen in ihre Stöckelschuhe oder laufen gar barfuß, wie
die Rikschamänner. Das Klappern, welches die Holzsandalen verursachen
, namentlich wenn sich größere Volksmassen auf hartem
Boden bewegen, wie z. B. auf dem Asphalt der Bahnhöfe bei ankommenden
und abgehenden Zügen, fällt dem Europäer anfangs
mächtig auf die Nerven- Auch läßt sich nicht in Abrede stellen,
daß diese „Geta" genannten Holzschuhe dem Gange etwas Ungraziöses
geben, was den ästhetisch Gebildeten namentlich bei
hübschen Frauen stört. Auf rauhen Bergwegen kommen Strohsandalen
, „Zori" oder „Waraji" genannt, zur Anwendung. Oft
sind damit steinige Pilgerwege, die zu den auf steilen Anhöhen
liegenden Tempeln führen, geradezu gepflastert. Sobald sie durch-
geschlissen sind, wirft man sie weg, da in jedem Teehaus, in
jeder am Wege liegenden Bude für wenige Sen neue erhältlich sind.
Beim Betreten eines Hauses ist es dem Japaner ein leichtes, sich
seiner Getas zu entledigen. Diese bleiben im Türeingang stehen,
und er kann nun ruhig die Matte betreten und sich mit umgeschlagenen
Beinen auf dieser niederlassen« Denn Stühle oder Sitzgelegenheiten
irgendwelcher Art gibt es im japanischen Hause nicht.
Zum Speisen dient ein niedriger, flacher Tisch, um den die Tafelnden
auf dem Boden kauern. Dieselbe Matte dient gleichzeitig zum
Schlafen. Man legt sich flach auf sie hin. Nur die Damen bedienen
sich mit Rücksicht auf ihre kunstvolle Frisur, zur Schonung
derselben, einer untergeschobenen hölzernen Nackenstütze. Bei
großer Kälte wird bisweilen noch eine kleinere Matte als besondere
Unterlage auf den Boden gelegt. Im übrigen schläft man in
Japan bekleidet.
Manche Damen lieben es, ihre Frisur subjektiv zu gestalten,
andere unterwerfen sich einer gewissen wechselnden Mode. Im
allgemeinen aber gibt es für jedes Lebensalter und jeden Stand
gewisse charakteristische Merkmale.
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