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182 Psychische Studien. XLII. Jahrgang. 5. Heft. (Mai 1915.)
gründen!6) — Eine schreckliche Anwendung des Reichtums findet
jetzt in Europa statt, indem es ausschließlich Kapitalisten sind,
welche ungerechte Kriege unterstützen. Gerechte Kriege bedürfen
nicht so vielen Geldes zu ihrer Unterstützung; denn die meisten
Leute, welche sie führen, tun **s gratis; aber für einen ungerechten
Krieg müssen sowohl die Körper wie die Seelen gekauft werden;
und nebenbei die besten Handwerkszeuge für den Krieg, was ihn
auf's äußerste teuer macht, gar nicht zu reden von den Kosten
niedriger Furcht und ärgerlichen Argwohns zwischen Nationen, die
trotz all ihrer Volksmengen nicht genug Wohlwollen und Ehrlichkeit
besitzen, um eine Stunde inneren Friedens damit zu erkaufen.
--Und da jeder ungerechte Krieg außer durch Plünderung
des Feindes nur durch Anleihen von Kapitalisten durchzuführen
ist, so werden diese Anleihen später durch Besteuerung des Volkes
aufgebracht, das, wie es scheint, keine Stimme bei dieser Angelegenheit
hat, weil eben der Wille der Kapitalisten die Hauptwurzel
des Krieges ist; aber seine wahre Wurzel ist die Habsucht der ganzen
betreffenden Nation, die sie unfähig macht, offen und gerecht
zu sein, und daher zu gegebener Zeit jeder einzelnen Person ihren
eigenen Verlust und ihre eigene Strafe bringt. —
Eine große Nation verhöhnt nicht alle himmlischen Mächte,
indem sie vorgibt, an eine Offenbarung zu glauben, die die Liebe
zum Gelde als die Wurzel alles Übels erklärt, und doch zu gleicher
Zeit zeigt, daß sie bei all ihren nationalen Talen und Maßnahmen
durch keine andere Liebe beeinflußt ist, oder die Absicht hat, sich
beeinflussen zu lassen. )
„Die Reflexion mit ihren Scheidewassern — die nicht wie
andere Wasser setzen und gebären, sondern begrifflich nicht einmal
die gegenwärtige Welt bestehen lassen** (Jean Paul), und
deren Usurpation wir unsere Entartung in erster Linie zu verdanken
haben, charakterisiert Ruskin kurz und treffend, wie folgt:
„Die moderne Wissenschaft hält Vorlesungen über Botanik, um
darzutun, daß es so etwas wie Blume gar nicht gibt; über die
Menschheit, um darzulegen, daß es so etwas wie einen Menschen
gar nicht gibt; über Theologie, um darzulegen, daß es so etwas
wie einen Gott gar nicht gibt; keine Menschen sondern Mechanismen
; keinen Gott, sondern nur eine Anzahl Kräfte. Der eine
Glaube ergibt sich naturgemäß aus dem andern; wenn ihr euch
für nichts weiter haltet als eine Maschine, die geschaffen ward,
ib. 6, 19: „Ihr sollt euch auf Erden keine Schätze sammeln, wo sie
der Rost und die Motten verzehren und die Diebe nachgraben und
stehlen; vielmehr sammelt euch Schätze f in den Himmel* usf.
()) „Wie wir arbeiten und wirtschaften müssen,* Straßburg, J.
H. Ed. Heitz (Heitz u. Mündel).
7) John Ruskin: „Sesam und Lilien ,* Eugen Diederichs Verlag
, Leipzig.
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