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204 Psychische Studien. XLII. Jahrgang. 5. Heft. (Mai 1915.)
liehe Ausnutzung und den Mißbrauch menschlicher Arbeitskraft,
und es ist eine geradezu teuflische Idee, die allerärmsten Krüppel
einer solchen Möglichkeit preiszugeben. Das zerstörte Lebensglück
, die physischen und seelischen Leiden und die damit verbundene
ungeheuere psychische Depression kommt bei dem Artikelschreiber
selbstvciständlich gar nicht in Betracht; nur der
Wille zum Brotverdienen darf den verstümmelten Körper noch beleben
, damit man ihn als Automaten noch benützen kann. Woher
soll, so frage ich, der verzweifelte Mensch unter solchen Umständen
die Willenskraft hernehmen, um rein wirtschaftlichen Interessen
zu dienen? — Inbezug auf die Volksbildung bin ich ebenfalls
nicht der Ansicht des Artikelschreibers von „Krieg und
Volksbildung" (ebendort von Franz Brosch). Meines Erachtens hat
eine wahre Volksbildung doch höhere Aufgaben, als die Jugend
auf den Konkurrenzkampf und die daraus resultierenden wirtschaftlichen
Kriege vorzubereiten. Daß er zu diesem Behufe auch
die Gemütskräfte heranziehen will, erscheint begreiflich, da man
auf solche Weise den Menschen leicht zu einem Instrumente
machen kann, auf dem, wenn man seine Griffe kennt, man nach Belieben
spielen kann." — Treffend schildert den „Maschinenmenschen
" im Sinne eines seelenlosen Materialismus, dessen Geist
und Gewissen tötende Wirkungen eben der jetzt tobende Völkerkrieg
deutlich zeigt, in einem „Der Maschinenkrieg" überschriebenen
Artikel Julius Hart in Heft 8 der „Woche" des Kriegsjahres 1915.
Es heißt dort u. a. (S. 256): „Im Lichte dieses Maschinenzeit-
alters, der großen Maschinenkultur von heute, ist allerdings ein
Mensch besonders modernen, höchst internationalen und nicht nur
deutschen Gepräges groß geworden, der über den alten Gott, der
Geist ist, die Achseln zuckt und kein Gewicht mehr darauf legt,
von ihm nach seinem Ebenbild geschaffen zu sein; der es allerdings
ganz offen ausspricht: „Der Mensch ist nun einmal in Wirklichkeit
nichts anderes als eine Maschine; und daß wir uns
selber nach dem Bild einer Dieselmaschine schaffen und bilden,
akkurat, machtvoll, das ist allerdings gerade unser großer neuer
Zivilisationsgedanke, und wir, die Maschinenmenschen, mit unsem
Maschinengöttern, wollen endlich einmal unsere Erde so viel
schöner, besser uns einrichten wie es leider die. alten Geistesgötter
und die von Gott nach seinem Ebenbilde geschaffenen Menschen
gerade nicht vermochten. Die „Seele" freilich, die Lloyd-George
(in einer Rede über „Deutsche Hunnen und Barbaren") in der
Dieselmaschine nicht finden kann, haben wir auch im Menschen
nicht entdecken können, so gründlich wir auch seinen Leib mit
Messer und Mikroskop untersucht haben." [Das ist in
der Tat einfach lächerlich. Die „Seele" ist eben eine
Kraft, ähnlich der ElekirHtät, die bald h'er, bald dort
sitzt und nur an ihren Wirkungen zu erkennen ist; ge-
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