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210 Psychische Studien. XLII. Jahrgang. 5. Heft. (Mai 1915
bauten, die er in der Folgezeit ausgeführt, sogar die Arbeiter, die
dabei beteiligt waren, und was er mit ihnen besprochen, alles
habe er durchlebt. Auch die Kirche habe er damals schon gesehen
, die er jetzt baue. Er würde sie nicht ganz vollenden, denn
im Juni dieses Jahres müßte er sowohl wie seine Mitbrüder nach
Tsingtau — der deutschen Kolonie — flüchten. Aber wie sie in
Tsingtau ankämen, fänden &ie es schlimmer. Die Stadt würde
von fremden Kriegsschiffen bombardiert und sei schon halb in
Trümmer geschossen. Ingleichen näherte sich von der Landseite
eine große Armee der Stadt, weshalb sie auch von dort flüchten
müßten in ein Land, wo sie kleine Leute und den chinesischen
ähnliche Häuser und Straßen gesehen hätten — wahrscheinlich
Japan. Dann müßte er längere Zeit in der Fremde bleiben, kehrte
aber schließlich wieder nach China zurück, wo er dann seine
Kirche, die er gerade so vorfände, wie er sie verlassen, also nicht
zerstört, vollenden würde. Tragisch sei sein Lebensende. Er
würde nämlich in einem einsamen Gebirgstale von sechs Räubern
erschossen. Er sagte, das früher Gesehene sei bisher alles so genau
eingetroffen, daß er auch an dem Zukünftigen nicht zweifeln
Konner Den Boxeraufstand z. B. und wie er sich entwickeln
würde, habe er lange vorher seinen Mitbrüdern gesagt. — Prof.
Dr. Dennert teilt weiter mit: Professor Zurbonsen berichtet
Seite 205 m „Gedankenkraft*', daß nach dem Berichte des apostolischen
Vikars von Südschantung, Bischof A. Hesmighaus aus
Jentschoufou vom 20. Oktober 1914 in der Tat 13 Paters und
3 Brüder von Schantung nach Tsingtau geeilt und dort mit eingeschlossen
wurden. Sie weilten während der Belagerung im Waisenhause
. Unter ihnen befand sich auch jener Seher. Tsingtau
wurde bekanntlich von der Land und Wasserseite aus bestürmt
und fiel am 7. November. Die Besatzung, sowie alle übrigen
Männer, auch die Paters, wurden kriegsgefangen nach Japan
überführt. Die einzigen Irrtümer in der Voraussage sind, meint
Prof. Dr. Dennert, daß der Seher die Zeit falsch deutete (1912
statt 1914) und daß er glaubte, er flüchtete nach Japan, während
er als Kriegsgefangener dorthin gebracht wurde.
(„Augsb. Postzeitung" vom 10. April 1915).
i) Eine merkwürdige Prophezeiung. Eine
interessante „Ausgrabung** findet sich in der neuesten Nummer
der „Hilfe** von Fr. Naumann. In ihr wird an folgenden Bericht
Piatos im „Timaeus" (S. 24 A—25 D) und „Kritias** (S. 110C
bis 121) erinnert: „Es war einmal in Europa ein ansehnliches
Volk, das auf gesegnetem Boden in fleißiger Arbeit ein wohlgeordnetes
Gemeinwesen begründet hatte. Ackerbau und Gewerbe
schufen wachsenden Wohlstand. Künste und Wissenschaften gediehen
zu herrlichster Blüte. Die Lebensführung hielt die rechte
Mitte zwischen Prunk und unedler Ärmlichkeit, Tüchtigkeit,
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