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Frendenberg: Streiflichter auf japanischen Kultus
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stimmten Stunde mit der Elektrischen zum Bahnhof, wo sich ein
Teil der mehrwöchigen Reisegesellschaft wieder traf, um die
Küstenbahn zu benutzen.
Die japanischen Eisenbahnwagen sind etwas kleiner als die
unsrigen, mit niedrigen Längsbänken ausgestattet. Die Japaner
streifen ihre Holzpantoffeln ab und machen es sich auf den Bänken
bequem. Die Damen zeigen ihre schlohweißen Strümpfchen
die Männer ihre dunkelfarbigen Tabis.
Nun langt alle Welt aus dem Ärmel Pfeifchen und Beutel
Lcrvor, füllt den winzigen Pfeifenkopf mit einem erbsengroßen
Häufchen Tabak, tut ganz langsam und bedächtig drei Züge und
klopft dann das Pfeifchen auf dem Fußboden aus. Es folgt eine
neue Füllung des Rauchapparates und Aufhebung der glimmenden
Asche vom Boden mit dem offenen Pfeifenkopf u. s. f. Dies
wiederholt sich nur einige Male, dann ist die Rauchlust für den
Augenblick gestillt. Nun wandern die Rauchutensilien wieder
in den Ärmel zurück, aus dem jetzt der unvermeidliche Fächer
zum Vorschein kommt oder auch das Etui mit den Eßstäbchen,
wenn auf irgend einer Station in sauberen Holzkistchen, durch
eine Querleiste geschieden, Reis und kleine Fischchen hereingereicht
werden. Es ist amüsant, diesem Speisen mit den Stäbchen
zuzusehen, namentlich wenn diese von einer zierlichen Japanerin
mit vollendeter Grazie gehandhabt werden. Nach beendeter
Atzung kann das Rauchen wieder beginnen. Im allgemeinen ist
die Unterhaltung der Passagiere untereinander lebhaft. Nur
einzelne verstecken sich hinter eine Zeitung oder ein Buch. Von
Zeit zu Zeit bedient sich Japaner wie Japanerin des Fächers, mit
dem selbst der Bettler, während er Almosen heischt, sich das Gesicht
fächelt. —
In Shiba-ku angelangt, stießen wir auf bereitstehende Rikschas
, die uns im flotten Lauf zur Residenz des Herrn Asano
brachten. Die ganze Fahrt von Yokohama bis hierher ist lustig;
rechts Dörfer mit Durchblicken aufs Meer, links bewaldete Hügel
mit eingestreuten Villen. Auch der Landsitz des Präsidenten ist
an einen dicht bewaldeten Hügel angelehnt. Durch einen vergoldeten
Torbogen und einen prächtigen Vorgarten hindurch gelangten
wir zu einem Treppenbau, vor dem uns die Rikschahs
absetzen. Wir stiegen die Stufen hinauf und befanden
uns in einer geräumigen Vorhalle, in der uns ein Bevollmächtigter
des Hauses begrüßte. Als Legitimation trugen wir die mit der
Einladung übersandten Schleifchen. Hier standen rechts eine
Anzahl Diener, links eine Reihe Dienerinnen, welche uns die
Hüte abnahmen, uns auf Bänke niedersitzen ließen und uns
Tuchpantoffeln über die Stiefeln streiften, um uns das lästige Ausziehen
derselben zu ersparen. Nunmehr stiegen wir wieder eine
Treppe hinauf und gelangten in eine zweite Halle, die mit lebens-
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