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Ludwig: Die stigmatisierte Tertiarin Maria Beatrix Schuhmann. 225
pielle Auseinandersetzung über die mystischen
Erscheinungen überhaupt notwendig.
Einige leitende Grundsätze habe ich bereits in dem Artikel „Legende
und Mystik" (Jahrgang 1907 dieser Zeitschrift), dann in meinen
Arbeiten über den Pöschlianismus („Neue Untersuchungen über den
Pöschl." 1906, Pustet, und „Beiträge zur Geschichte des Pöschl.":
„Archiv f. d. Geschichte der Diözese", Linz 1907) und in der Studie
über die Stigmatisierte Gemma Galgani („Passauer Theol. Monatsschrift
", 1912) aufzustellen gesucht. Danach halte ich es für einen
zu engen Standpunkt, die Erscheinungen der christlichen Mystik
einzig für sich zu betrachten, die etwas ganz Singuläres, sonst
nirgendsmehr Beobachtetes wären, und man ist dann natürlich nur
zu gern geneigt, in allen außerordentlichen Phänomenen absolute
Wunder zu sehen, durch die die Heiligkeit der betreffenden rerson
sicher beglaubigt ist Dringt man aber in die Literatur der außerchristlichen
und außerkatholischen Mystik ein, so erkennt man
sofort, daß es sich, einen ganz bestimmten kleinen Kreis (bes. die
Stigmatisation) ausgenommen, meist um reale Erscheinungen handelt
, die nicht auf das Gebiet des Katholizismus beschränkt sind,
sondern sich überall und zu allen Zeiten finden. Es handelt sich
da um außergewöhnliche seelische Kräfte und
Fähigkeiten, die noch innerhalbdesnatürlichen
Bereichs liegen. „Die Wahrheit ist (so schrieb ich in „Legende
und Mystik*'), daß gleiche Ursachen auch gleiche Erscheinungen
im Gefolge haben. Überall da, wo der Mensch sich aus der äußeren
Welt in die Tiefe seines Seelenlebens zurückzieht und die sinnlichen
Triebe zu unterdrücken sucht, werden sich gewisse Regeln
und Mittel der Aszetik herausbilden, die bei den buddhistischen und
altägyptischen Aszeten in gleicher oder ähnlicher Weise wahrgenommen
werden, wie bei den neuplatonischen Mystikern und den
christlichen Mönchen (und Heiligen). U nddieseÄhnlich-
keiterstrecktsichauchaufdieaußergewöhn-
lichen mystischen Erscheinunge n." Wir finden
Ekstase und ekstatisches Schweben nicht bloß bei christlichen
Heiligen, sondern auch bei indischen und neuplatonischen Aszeten
wie bei echten Medien der modernen Zeit. Es kommen bei all
diesen allerlei Lichtphänomene, Hellsehen (räumliches wie zeitliches
), Wahrträume u. a. vor.3) Der neuplatonische Philosoph
und spätere christliche Bischof Synesius von Kyrene hat noch als
Heide eine eigene Schrift über die Träume verfaßt, in der er von
sich bekennt, daß er die Gabe des Wahrtraums besitze, und wir
haben keine Berechtigung, in die volle Aufrichtigkeit dieses trefflichen
Mannes den geringsten Zweifel zu setzen.4) Mystische Phänomene
finden sich auch bei protestantischen Mystikern, einem
Swedenborg, Böhme, Pfarrer Löhe, Pfarrer Blumhardt u. a. Auch
nach Zahn5) gibt es eine natürliche Ekstase. Er schreibt
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